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Farbe. Linie. Sehen.

Schwäbisches Roadmovie 2020: unterwegs mit dem Coronamobil

9 Kommentare

Treffpunkt 10 Uhr in einem der großen Krankenhäuser Stuttgarts in der Eingangshalle – da biegt auch schon mein Mitfahrer um die Ecke: der DRK-Rettungssanitäter und Zweimetermann, mit dem ich heute unterwegs sein werde. Zusammen werden wir heute für 8 Stunden in Stuttgart im Auftrag des Gesundheitsamtes die Patienten anfahren, die einen Abstrich auf Covid19  brauchen, aber nicht zu den anderen Abstrichstellen kommen können. Wir sind gut ausgerüstet: es gibt für jeden Patientenbesuch einen frischen Kittel und Handschuhe, die kostbare FFP3-Maske ist den ganzen Tag zu verwenden, und da es keine Haube für die Haare gibt, habe ich meine afrikanische OP-Haube mitgebracht (Baumwolle, waschbar).

Das Wetter ist zum Glück gut, wenn auch ziemlich kalt, unter den Kittel passen genügend Schichten, um nicht zu frieren, und, große Freude: es regnet nicht! Das ist schonmal klasse, wenn man vor der Tür auf dem Gartentischchen die Verwaltung machen muß – denn wir gehen, wenn irgend möglich, nicht in die Wohnungen hinein, um die Kontaktmöglichkeit mit dem Virus gering zu halten. Mein Fahrer liest mit noch mehr Abstand, ohne Kittel aber mit Atemschutz und Handschuhen, die Karte ein und bereitet die Zettel für Verwaltung, Labor und Gesundheitsamt vor, während ich die Patienten befrage, abstreiche und berate.

Die erste Adresse ist ein 50jähriger Mann, fiebrig, schwer am Husten, aber insgesamt in stabilem Zustand. Gefühlt wohnen alle, die wir besuchen sollen, mindestens im fünften Stock, so hat die Arbeit auch einen gewissen sportlichen Aspekt. Wir sind pingelig im Abstandhalten, die herausgereichte Versicherungskarte wird desinfiziert, bevor sie im Lesegerät landet, gebrauchtes Material und meine Verkleidung bleiben beim Patient, sie werden vor die geschlossene Wohnungstür gelegt und, wenn wir weg sind, dort im Hausmüll entsorgt.

Dann geht’s in ein Seniorenheim. Eine alte Dame hat Fieber und hustet, sie hatte immer wieder Besuch von einer Angehörigen, die im Skiurlaub in Tirol war. Das Personal ist sehr besorgt, auf keinen Fall wollen sie im Heim das Virus verbreiten, falls es denn die Ursache für die Erkrankung ist, aber auch die Pflegerin, die mit mir hinein geht, um der alten Dame den Kopf zu halten, hat keinen ausreichenden Atemschutz. Die etwas verwirrte Patientin schaut erschreckt aus ihren Kissen hervor, die Maske verhindert leider, daß man die erste, Frieden verheißende und beste Begrüßung, ein Lächeln, sehen kann. Vom Abstrich ist sie dann noch weniger begeistert, es ist unangenehm, tief im Rachen und in der Nase berührt zu werden und fast will sie das Stäbchen abbeißen, aber dann klappt es doch. Im Personalraum besteht noch Beratungsbedarf, wann kommt das Ergebnis, wie soll bis dahin verfahren werden?

Die nächste Adresse ist eine Familie mit drei kleinen Kindern. Alle husten, haben und hatten mehr oder weniger Fieber und sollen abgestrichen werden, die Kinder sind noch neugierig und freundlich, aber wir beschließen, nach den Eltern nur einem, dem ältesten, die unangenehme Prozedur zuzumuten, sowieso bleiben ja alle für die Quarantänezeit zuhause. Es gibt, wie erwartet, großes Gebrüll und wildes Gezappel, gut, dass die Eltern noch fit genug sind, das Mädel fest zu halten.

Bei der nächsten Familie, wo nur der Papa symptomatisch ist und abgestrichen wird, richten wir die Unterlagen auf der Holzbank im üppig blühenden Vorgärtchen und hinterlassen Grüsse – ich kenne die Eltern aus unserer Kirchengemeinde.

So geht es weiter durch den Tag, unterbrochen von einer kleinen Mittagspause mit Käsebrot im Auto. Alle sind geduldig und motiviert, auch mein Begleiter faltet immer wieder unverdrossen seine zwei Meter hinter das Lenkrad und trägt heute dauerhaft seine Maske, da er am Morgen erfahren hat, dass sein Begleitdoktor von gestern Symptome entwickelt hat. Ich mag diese Arbeit – man kann sich gut schützen, die Arbeitszeiten sind freundlicher als in meinen längeren Nachtdiensten. Und – man kommt durch’s Ländle!

9 Kommentare zu “Schwäbisches Roadmovie 2020: unterwegs mit dem Coronamobil

  1. Danke Dir! Auch ein paar buntgepunktete Sonntagsgrüssles zurück!

  2. Ich meinte auch eher die grundsätzliche Arbeit als Ärztin oder helfende Hand in diesem Beruf. Da halte ich ein Danke immer für angebracht 🙂 Liebe Sonntagsgrüße 🙂

  3. Tja, mit den Afrikaerfahrungen, wieviel kränker und schlechter versorgt die Menschen dort sind, meine ich, wir haben es hier noch immens gut. Alles ist da, was man braucht, wir haben eine Regierung, die feinjustiert abwiegt, und ein gutes Gesundheitssystem. Man muss bedenken: wo viele Fälle gemeldet sind, sind viele Abstriche gemacht worden…

  4. Danke Dir, Mallybeau – und: Verzeih, wenn ich ein bisschen widerspreche: es ist nicht wirklich großartig, Abstriche zu machen. Da kann man sich gut schützen, zumal gegen eine Krankheit, die in den meisten Fällen mild verläuft. Unsere übliche Arbeit im ärztlichen Notdienst mit meist viel krankeren Menschen, mit längeren Dienstzeiten und bei Nacht, ist da anstrengender…

  5. – für eine Verlaufsbeobachtung sind es zu viele Patienten für die Kollegen, die zu den Abstrichen fahren – die Patienten werden ja persönlich dann vom Gesundheitsamt kontaktiert und begleitet…

  6. Danke für die großartige Hilfe 🙂
    Mögen alle gesund bleiben und jene welche krank sind, schnell wieder genesen.
    Alles Gute
    Herzliche Grüße
    Mallybeau 🙂

  7. Eine gute Lösung, die ihr da gefunden habt, für Menschen die irgendwie betroffen und unsicher, mit Angst besetzt sind. Welche Gedanken du dir wohl machst mit deiner Afrika Erfahrung und deinem Kenntnisstand? Aber das ist hier nicht das Thema, HELFEN GEHT VOR……..

  8. Erfährst du dann auch die Resultate, und welchen Verlauf die Krankheit nimmt? Oder beschränkt sich deine Tätigkeit aufs Aufnehmen?

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