Nairobi kleidet sich bunt, hektisch, laut und abstandsarm wie sonst auch. Nicht alle tragen Maske, obwohl dies gerade überall in der Öffentlichkeit Vorschrift ist, und wer eine trägt, schützt mehrheitlich Bart oder Kinn. In unserer Ambulanz herrscht wie gewohnt reger Zulauf. Das Team zur Umsetzung der Hygienevorschriften hat gute Arbeit geleistet, ist vorbildlich in der Umsetzung, und doch sind die Sprechzimmer sehr eng. ˋWe have crossed so many waters, we will cross these waters, too,´sagt meine Übersetzerin und lächelt mich hinter ihrer Op-Maske an. Die wenigsten können sich eine FFP2-Maske leisten. Ihr Sohn hat sich heute wegen Fieber, Husten und Atembeschwerden krank gemeldet. Er soll in seinem Zimmer bleiben, hat sie ihm gesagt. Eigentlich hatte ich gerade, in einer kleinen Pause zwischen Gipsen und Wundversorgung im frisch gelüfteten Zimmer die Maske abgesetzt, jetzt setze ich sie wieder auf.
Die Patienten tragen ebenfalls Maske, möchten aber gerne wirklich gut verstanden werden und ziehen das Stöffchen daher ab, um sich mundfrei dem Doktorohr zuzuneigen, wenn sie ihre Geschichte zu erzählen beginnen. Wir sind dann streng.
Die Arbeitstage sind lang und ebenfalls bunt in der Vielzahl der Anliegen. Ein 34jähriger mit einem stark geschwollenen Bein stellt sich vor. Der Ultraschall zeigt eine frische Thrombose, die bis in die Beckenvenen reicht. Da wir keine Möglichkeit zur Blutverdünnung haben, wollen wir ihn einweisen, aber bis auf eines der größeren Krankenhäuser sind alle im Streik – das Personal kämpft um bessere Schutzmöglichkeiten vor dem Virus. Bereits mehrere Ärzte auch jüngeren Alters sind verstorben, weil es diese nicht gab. Da ist der Aufruhr nachvollziehbar, aber was geschieht nun mit unseren Patienten? Eine Einweisung mit Krankenwagen ist nicht möglich, man wird sofort wieder abgewiesen. Eine so ausgeprägte Thrombose zu Fuß zu schicken, widerstrebt sehr. Er soll halt langsam zum Taxi laufen, sagt die Headnurse. Pole, pole. Ich hoffe, dass er auf der Fahrt nicht einer Lungenembolie erliegt.
Die Knochenbrüche bei Alt und hauptsächlich Jung stammen aus der Zeit um Weihnachten herum. Da hatte dann auch unser Gesundheitszentrum geschlossen. Stark verschobene Frakturen müssen am besten noch heute reponiert werden, bevor alles fixiert ist. Bei den kindlichen Verletzungen, mit Bruchstücken im Gelenkbereich, muß das eigentlich im Krankenhaus geschehen. Und da wären wir wieder auf der Suche nach Möglichkeiten…
Nicht möglich war es, den Finger einer jungen Frau zu retten, die vor einer Woche von einem verärgerten Freund gebissen worden war. Der Freund einer anderen jungen Frau mußte in die Schranken gewiesen werden, weil er eine Tasse kochendes Wasser über ihrem Arm ausgegossen hatte.
Möglich war es allerdings, einem Mann einen 5cm langen Akaziendorn aus dem Fuß zu ziehen, der bereits seit einem halben Jahr für Schmerzen und Eiter gesorgt hatte, unter Ultraschallkontrolle dank der findigen Kollegin, und zur großen Freude aller beteiligten Mitwirkenden und Zuschauer.
Die Tage gehen zuende mit Schuhen voller Gipsspritzer, Povidonklecksen, mit verschwitzen Masken und zuweilen einer Runde Jerusalema-Dance auf dem Slum-„Parkett“. Alle zusammen, bunt gemischt, mit Maske natürlich und reichlich Hüftschwung. Selten ist man so im Gleichschritt in dieselbe Richtung unterwegs…
Mehr zu unserer Arbeit im Mathare Valley Slum in Nairobi unter http://www.german-doctors.de
Januar 8, 2021 um 12:06 am
Ach, ach. Wie wohl behütet ich hier lebe. Du bist mutig. Bleib gesund, mehr kann ich gar nicht sagen. Mir fehlen die Worte.
Liebe Grüße, Marie
Januar 7, 2021 um 8:36 pm
afrikanisches Tanzen zwischendurch sehr befreiend, versuche gesund zu bleiben,.