sabinewaldmannbrun

Farbe. Linie. Sehen.


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Lala salama – Mwanza IV

Die Nacht liegt ruhig, gebettet auf Grillengegeig, Froschquaken verschiedener Tonhöhen, Nachtvogelstimmen. Es ist ein vielstimmiges Zirpen, hin und wieder von einem Bassquaker begleitet, auch gibt es  ein Tier, dessen Stimme klingt, als fiele ein Tröpfchen ins Wasser, was sich dann in der Geschwindigkeit steigert, so dass man den Eindruck einer undichten Wasserleitung hat, gerade da frage ich mich, wie dieses Tier wohl aussehen mag? Ein Vögelchen, klein, mit langem, gebogenem Schnabel? Ein Minifrosch? Ab und zu ein Pfeifen – eine Riesenmaus? Ein Klippschliefer? Letztere sehen ja immer ein bisschen muffelig aus, wie verärgerte Murmeltiere, die sich gleich über irgendetwas beschweren möchten…

Mein Zimmer, direkt oberhalb der Krankenstationen gelegen, hat große Ohren, zumal immer das Fenster weit offen steht. Wenn nicht gerade jemand seinen Müll verbrennt, ist die Nachtluft frisch und würzig. 

Unten läuft weinend ein Kind durch die Station, mal lauter, mal leiser, klagend, dazwischen Stimmen, mal ungehalten, mal aufgeregt. Wetterleuchten über dem Viktoriasee. Sterne. Ich denke über die Niederlagen des Tages nach. 

Die junge Frau mit dem so lange verschleppten Abszess der linken Brust, weil keiner so recht Mumm hatte, einmal richtig unter Kurznarkose hinein zu schneiden, ordentlich zu spülen, dann wäre die Wundfläche jetzt um ein mehrfaches kleiner. Es helfen eben nicht jedesmal nur Antibiotika…

Der Schulbub, schwer atmend, lebensbedrohlich krank, alle Symptome eines weit fortgeschrittenen lymphatischen Tumors, aber quälend langsam behandelt, ja eigentlich bisher nur durch die Diagnostik geschickt, an einem Tag im Ultraschall, am nächsten nochmal Labor, und dann, noch zwei Tage später, ein CT, das in Deutschland befundet wird und dann zuweilen erstmal noch übersetzt werden muß und natürlich reicht das Geld nicht, genau an der Stelle, wo man denkt, die Zeit läuft ab, der Bub kann nur noch im Sitzen schlafen, weil er kaum atmen kann, und man denkt, jetzt muß etwas passieren, am besten gestern, aber auch morgen wird noch dies und das überlegt…

Gibt es Lösungen? Unkonventionelle? Vorsichtig diplomatisch formulierte Lösungsvorschläge? Es muß gut abgewogen sein, wer was bezahlen soll oder kann, wo was geschehen kann oder darf, und jetzt vor allem wann?

Und der Kampf um die Schere, eine einfache Schere für das Verbandszimmer, nicht steril, aber sauber, für diejenigen, deren Fingernägel nicht scharfkantig sind, die aber dennoch gerne Pflaster, Mull und anderes zurechtschneiden würden, wenn, ja wenn es eine Schere gäbe? Ich denke an all die Scheren, die im Lager auf ihren Einsatz warten, aber ist derjenige, der den Schlüssel hat, erreichbar, wenn eine Schere gebraucht wird?

Das Gesumm der Moskitos endet am Netz. Was die Ameisen wohl im Dunkeln planen? Einen neuen Eroberungsversuch verlockender Dinge in Schrank oder Koffer?

Morgen ist ein neuer Tag. Neue Chancen, neue Möglichkeiten. Was haben wir uns kürzlich zugesprochen? Hoffnung ist immer…

Morgen werden wir wieder, inmitten der stark abgeblassten, aber tief verschneiten bayrischen Schneeberge im Sprechzimmer (die ein Recyclingfan aus dem Spendenkonvolut entnommen und dort aufgehängt hat) hoffnungsvoll an der Zukunft arbeiten.

(Lala salama: Kisuahili für ‚Schlaf gut‘, wörtlich übersetzt ‚Liege im Frieden‘)


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Marder oder Taube?

Ein gutes und dem Frieden Raum gebendes neues Jahr! Da die Taube neben Marder, Puma, Leopard und anderen zur Zeit viel zu kurz kommt, ja hin und wieder völlig vergessen scheint, sei hier auf das endlich neu besetzte Friedenspfarramt der Evangelischen Kirche in Württemberg hingewiesen. Nur ganz kurz war die Meldung in den Nachrichten – dass man die dort publizierte Erklärung für eine Alternative zu Waffenlieferungen mit unterzeichnen kann, kam garnicht vor. Deshalb sei dies hier nachgeholt, wer mit unterzeichnen möchte, kann dies per email tun, auf der Seite http://www.friedenspfarramt.elk-wue.de sind der Gesamttext und weitere Informationen zu finden.

Zehn Punkte gegen den Krieg und seine Logik

  1. Waffenlieferungen befeuern und verlängern einen grausamen Krieg. Er fordert Tausende von Opfern im Kriegsgebiet und hinterlässt traumatisierte Männer, Frauen und Kinder. Der Ukrainekrieg trägt die Gefahr atomarer Katastrophen und eines Weltkrieges in sich. Weltweite Folgen, wie Hungersnöte und noch unübersehbare Wirtschaftskrisen, fordern ungezählte Opfer auf lange Zeit.
  2. Von Hochrüstung profitiert weltweit vor allem die Rüstungsindustrie und ihre Lobby in Form von Milliardengewinnen. Die 100 Milliarden „Sondervermögen“ im deutschen Haushalt sind Ressourcen, die in anderen Aufgabenfeldern fehlen werden, z. B. in der Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Klimapolitik.
  3. Soldat*innen werden im Kriegsfall zu Held*innen stilisiert, die für ihr Vaterland oder für andere Werte sterben. Das Recht zu desertieren und den Wehrdienst zu verweigern, ist in diesem Krieg auf beiden Seiten nicht gegeben, wie auch das uneingeschränkte Recht auf freie Meinungsäußerung.
  4. Deutsche Außenpolitik muss auf dem Hintergrund europäischer Geschichte am Ziel einer Friedensordnung im „gemeinsamen Haus Europa“ festhalten.
    Die deutsche Wiedervereinigung verdankt sich dieser historischen Vision. Verhandlungsoptionen bleiben diplomatisch unabdingbar.
  5. Das „Gut-Böse-Schema“ in Politik und Medien greift zu kurz. Putin ist nicht der alleinige „Böse“. Auch die Kriege im Irak und in Afghanistan waren nicht gut. Der Westen hatte Gorbatschow versprochen, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Dieses Versprechen wurde gebrochen. Das ist zu konstatieren.
  6. Die sozialen Verwerfungen, die aus dem Krieg hervorgehen, sind ein nicht zu verantwortender Preis für die „Verteidigung des Westens und seiner Werte“ in der Ukraine. Den Preis für diesen Krieg bezahlen die Kriegsopfer und auch die Armen in Deutschland, in Europa und in der Welt mit Armut, Not und Tod.
  7. Die Menschheitsaufgabe einer Energiewende geht nicht zusammen mit einem heißen Krieg, der neben Menschen auch Ressourcen und Natur vernichtet. Auf unserem Kontinent ist die Energiewende auf lange Sicht nur gemeinsam mit Russland zu schaffen. Sie ist auch weltweit nur gemeinsam zu schaffen.

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  1. Der Abbruch kultureller, universitärer und auch wirtschaftlicher Beziehungen mit Russland ist auf Dauer für eine zukünftige Friedens– und Klimapolitik kontraproduktiv. Sanktionen müssen auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden, wenn sie den Krieg nicht stoppen und mehr schaden als nutzen.
  2. Die Diffamierung von Kriegsgegner*innen und Pazifist*innen durch Medien und Regierung ist undemokratisch. Kirche muss sich deutlicher an die Seite der Kriegsgegner*innen stellen, auch wenn sie deren Positionen nicht teilt.
  3. Das Gebot Du sollst nicht töten bleibt für uns unaufhebbar. Daher setzen wir uns in unserer Kirche für gewaltfrei-aktive Methoden der Verteidigung ein, wie es sie in der Geschichte, auch in Osteuropa, vielfach schon gegeben hat. Wir fühlen uns nach wie vor der Erklärung der evangelischen Landeskirche in Württemberg zu deutschen Rüstungsexporten verpflichtet.

Meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Johannes 14,27 ______________________________
Quellen zur Stellungnahme

  1. Zur Position des EKD-Friedensbeauftragten Bischof Friedrich Kramer EKMD evangelische- friedensarbeit.de
  2. Äußerungen der württembergischen und der badischen Landeskirche (2017/ 2019)2017 _02_10 OKR Erklärung Rüstungsexporte.indd; http://www.sicherheitneudeken.de
  3. Zum Ansatz sozial-gewaltfreier Verteidigunghttps://www.soziale-verteidigung.de/artikel/ziviler-widerstand-gegen-krieg-ukraine
____________________________

Die Stellungnahme kann mitunterzeichnet werden per E-Mail an:

friedenspfarramt@elk-wue.de


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Good news!

Be not afraid, for behold, I bring you good news of great joy which will come to all people, for to you is born the savior, who is Christ, the lord ( this is, what the angel says) Luke 2: 10-11

(Ein gutes Weihnachten Euch, Ihr Lieben, die Ansage gilt, und ist völlig unabhängig davon, ob man einen Weihnachtsbaum, eine Familie zum Feiern, ein festliches Gefühl hat oder nicht!).

Merry christmas to you, far and near, and rely on that – even if there is no christmastree, no family to celebrate with, and no cosy feeling…


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Der chirurgische Blick – Surgeon’s view

In diesen Tagen, da sich vielerorts ein erstaunlicher Militarismus entfaltet, denke ich oft an die Zeit in Nord-Uganda, wo ich für ein paar Monate in einem kleinen Landkrankenhaus im OP vornehmlich mit der Versorgung von Schußverletzungen beschäftigt war. Um die 80% unserer männlichen chirurgischen Patienten lagen mit durchschossenen Knochen und Weichteilverletzungen in dem großen Bettensaal herum, in der Hoffnung, dass die Wunden sich wenigstens nicht infizieren und weit entfernt von einer ausreichenden Rekonstruktion. Hin und wieder kam ein klappriger Pickup aus dem Südsudan vorbei und lud bisher nicht versorgte Patienten aus, manche bereits tot, andere mit weggeschossenem Kiefergelenk, blutenden Armen, Beinen, durchschossenen Bäuchen etc. etc.etc. Im OP waren die Möglichkeiten dürftig: die Zerstörung begrenzen, Infektion vermeiden. Schmutz, Blut, totes Gewebe. Funktionsverlust. Ein dicker Strich durch zukünftige Möglichkeiten. Draußen die weinenden Eltern oder andere Familienmitglieder, falls (noch) vorhanden. Neidvoll habe ich zuweilen hinüber geschaut, wo der Kollege Kaiserschnitte gemacht hat, während ich selbst hauptsächlich mit dem Ausschneiden des zerschossenen Gewebes beschäftigt war.

Ich wünsche jedem, der nach Waffenlieferungen ruft, einen Tag in diesem Ambiente, wo deutlich wird, wozu Waffenlieferungen führen. Als Ärztin sehe ich nicht Deutsche oder Afrikaner, Russen oder Ukrainer, Kurden oder Syrer oder oder oder. Ich sehe Menschen, die leiden, und wenn sie nicht daran sterben, für den Rest ihres Lebens dadurch gezeichnet und eingeschränkt sein werden. Als Ärztin ist meine Aufgabe zu heilen. Niemals, auf keine Weise, zu schaden. Deshalb schäme ich mich für die Politiker, die die Lieferung von Waffen dem ernstgemeinten Suchen nach anderen Arten des Widerstandes vorziehen. Jede Waffe ist eine zuviel.

In these days, where astonishing numbers of people are making friends with weapons I am often reminded of the months I spent in northern Uganda some years ago, working as a surgeon in a small village hospital. About 80% of our male surgical patients suffered from gunshot-wounds. Every now and then an old pickup passed by and unloaded wounded people from South Sudan. Some already dead, others with wounds, causing handicap and loss of future. A mess. Blood, dirt, dead tissue. Loss of function. In theatre the almost only chance: to avoid infection, limit devastation. And outside the crying parents, siblings or children. I often envied the gynaecologist who was doing cesarians in the other theatre while I was cutting off dead tissue, flushing and cleaning, far from possibilities of a good reconstruction.

May everyone of those yelling for more weapons have the opportunity to spend time in a setting like this to realise what weapons will cause, once used. As a doctor I don’t see Germans or Africans, Russians or Ukrainians, Kurds or Syrians. I see human beings suffering, and if they don’t die of their injuries, they will have scars and impairment for the rest of their life. My profession is to heal and reconstruct, and in no way to injure or destroy. Therefore I feel ashamed for those politicians, who prefer to send weapons instead of searching thoroughly for other ways to resist. Every weapon is one too much.


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Mütter

Die Mutter von Milka(8 Monate) ist beschäftigt. Zwar müssen die beiden ein Weilchen warten, bis sie in den Behandlungsraum kommen können, aber so wird die Zeit nicht lang: das Kind patscht mit seinen kleinen Händen so lange an Mamas Maske, bis dahinter ihr Lächeln zum Vorschein kommt, dann lachen beide. Das läßt sich beliebig oft wiederholen. Das Mädel ist auch nicht wirklich krank, ein Pickel am Arm soll begutachtet werden.

Die Mutter von Violet(3 Monate) zieht die Maske über die Augen. Ein großer Abszeß, der fast die Hälfte des Oberschenkels ihrer Tochter einnimmt, soll jetzt, nach einer Woche, endlich geöffnet werden, und das will sie nicht mit ansehen. Sie dachten ja, es würde vielleicht von selbst wieder gut…

Die Mutter von Omoto (7 Jahre) ist besorgt. Während wir die Verbrennungen ihres Sohnes an Bauch und Beinen verbinden, pfeift, zischt und dampft direkt neben der Untersuchungsliege der Sterilisator und lässt alle paar Minuten ein brüllendes Schnaufen ab. Bislang ist noch nichts explodiert. Aber wer weiß?

Die Mutter von James(17 Jahre) weint. Ihr Sohn hat eine komplizierte, verschobene Fraktur am rechten Ellbogen – im Gelenkspalt sitzt zudem noch ein Knochensplitter – die wir nicht behandeln können. Der Bruch muß unter Röntgenkontrolle im Krankenhaus gerichtet werden, und dafür ist kein Geld da. Vielleicht kann die Verwandtschaft noch ein paar Schillinge zusammenkratzen, aber das dauert zu lange. Seit dem Unfall ist schon eine Woche vergangen. Wir schicken die beiden trotzdem mit einem Überweisungsblatt in unser Referalhospital und hoffen, dass auch hier der Sozialfond noch ein bißchen hergibt. Wenn nicht, wird James sein Leben lang den rechten Arm nicht richtig benutzen können.

Die Mutter von Everlyne und Elizabeth, beide Mitte 50, wird von ihren Töchtern wegen Schulterschmerzen gebracht. Die drahtige Über-Siebzigjährige ist noch sehr aktiv im Management von Häuschen und Garten up-country im Dorf, aber beim Schleppen der schweren Wasserkanister ist es ihr vor drei Tagen schmerzhaft in die Schulter gefahren. Und nun schmerzt es beim Heben des Arms. Ich stelle mir unsere Rentnerinnen zuhause vor, wenn sie ihr Wasser in gelben 10-Liter-Kanistern holen gehen müssten. Gibt es keine Enkel, die tragen helfen könnten, frage ich? Ach, die machen das nicht richtig, winkt die alte Dame ab.

Die Mutter von Lucy(4 Jahre) ist nicht da. Dafür bringt ein Auntie das Kind, das von einem Motorrad angefahren worden sei. Vom Unfallhergang weiß sie nichts, und kann auch sonst nicht viel sagen, es muß ein sehr entferntes Auntie um viele Ecken herum sein, und auch der Fahrer ist schon wieder auf Tour mit einer Kundin, obwohl er eigentlich hätte berichten sollen. Die Untersuchung ergibt nur ein paar Abschürfungen am Arm und Knie. Und dann kommt doch noch der Fahrer vorbei: mit Pudelmütze und Sonnenbrille (statt Helm) und Wollpullover (die preiswertere Schutzausrüstung). Nein, angefahren habe er das Kind nicht, es sei nur beim Ausweichen gestürzt. Zum Glück ist nicht mehr passiert. Da gab’s schon ganz andere Geschichten.

Die Mutter von Brian(5 Jahre) freut sich, dass der Gips, bzw. das, was davon noch übrig ist, jetzt endlich abgenommen wird. Schon viel früher hat der Sohn trotz Ermahnung seine üblichen Aktivitäten wieder aufgenommen, und das sieht man dem Gips an: staubgrau, fluselig, teilweise aufgeweicht und hier und da durchgebrochen. Hauptsache, es tut nichts mehr weh und der Arm sieht wieder gesund aus.

Als wir abends verschwitzt und müde nachhause kommen, steht John vor unserer Tür, treuer Fahrer und Manager zahlreicher Ausflüge von Generationen von German Doctors. Mager sieht er aus, ein Zahn ganz vorne fehlt. Er wollte uns begrüßen, fragen, ob wir nicht wieder auf Reisen gehen wollten? Die Not muß groß sein, denke ich, noch nie ist er von selbst vorstellig geworden. Schön, dass wir wieder da seien, strahlt er, und er habe noch Kapazitäten frei.

Wir sind in bißchen ratlos, eigentlich wollten wir erstmal nicht weiter planen. Und hatten auch nicht mit einem Besuch gerechnet. Ob er ein Glas Wasser haben dürfe, fragt John, noch immer steht er am Eingang. Ein Glas Wasser wird geholt, auch eine Tischdecke für den Gartentisch, aber da ist er schon wieder auf dem Rückzug, er spürt, es paßt nicht. Ob wir an ihn denken würden? Wir versprechen es.

Was denkst du, frage ich später beim Abendbrot die kenianische Kollegin, waren wir unhöflich ? Hätten wir ihn zum Essen einladen sollen? Ja, sehr unhöflich, sagt sie, wenn hier einer käme, bitte am ihn herein. Biete ihm an, eine Tasse Tee zu kochen. Man lade ihn zum Essen ein. Und wenn er wolle, dürfe er einen Monat lang bleiben.

(mehr über unsere Projekte unter http://www.german-doctors.de)


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Malaktion – Summerpainting

Dienstagsbesuch: meine syrische Freundin und ihre 12jährige Tochter kommen. Sie haben sich nicht von der Idee abbringen lassen, etwas zum Abendbrot mit zu bringen (ich durfte gerade mal einen Nachtisch beisteuern): eine grosse Schale mit Hack-Kartoffel-Tomaten-Auflauf und ein Töpflein Hummus mit viel Knoblauch (sie wissen, dass ich Knoblauch mag) verbreiten bereits verführerischen Duft.

Nach dem Nachtisch gibt es einen zweiten, internationalen, der nicht an Sprachbarrieren grenzt: wir malen zusammen ein Bild. Jeder malt ein Stück, dann kommt der nächste dran. Ich halte mich sehr zurück und freue mich an dem Spass, den vor allem die Tochter hat (sie hat gleich noch ein zweites allein gemalt).

Dem Häuschen zum Drinzuhausesein würde ich noch wünschen, dass es seinen Weg selbstbewusst etwas mehr ins Bild der (deutschen!) Landschaft hinein findet, immerhin sind schonmal die Signaturen der Künstlerinnen hier nicht in ihrer Muttersprache, sondern in unseren Buchstaben gezeichnet…

Tuesdayvisitors: my Syrien friend comes for a visit with her 12year old daughter. They did not accept a whole invitation – I was only allowed to make dessert. They bring a wonderful dish for dinner with meat, potatoes, tomatoes and a little pot of hummus with a lot of garlic (they know, I love garlic).

After dessert we have another dessert, an international one that does not require certain language skills: we paint a bit. One paints a bit, then it is the next one’s turn to add some colors. We did have fun, especially the daughter, who continued with an own one afterwards.

I kept myself in the background, only adding a line or some dots here and there, leaving the main stage to the guests. The little house on the right side may find its way right into the middle of the (german!) landscape. Yet the guests did not sign in their mother language but used our letters. Being at home takes quite some time…

 


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Felistes

Schon seit 2 Monaten fragt sich Felistes, 26 Jahre alt, woher die schmerzhafte Schwellung ueber ihrem Brustbein kommt. Sie fuehlt sich auch insgesamt nicht wohl, hat abgenommen, keinen Appetit mehr und ist oft muede.

Im Ultraschall ist eine tief liegende abszess-aehnliche Struktur zu sehen, die von der Chirurgin zunaechst punktiert wird. Hier muss man neben einer Knochenentzuendung immer auch an Tuberkulose denken, und die Ebene, in der die Struktur liegt, ist untypisch fuer die sonst leicht zu eroeffnenden oberflaechlichen Hautabszesse. Da wir ueber eine Niederlassung von Aerzte ohne Grenzen im Slum Zugang zu „Gene Expert“ haben, einer Untersuchungsmethode, durch die das genetische Material von Tuberkulosebakterien (per PCR) nachgewiesen werden kann, wird der gewonnene Eiter dort untersucht. Das Roentgenbild der Lunge war voellig unauffaellig, auch die darauf sichtbaren Knochenstrukturen, die Laborwerte eher unspezifisch aber mit deutlichen Anzeichen fuer eine Entzuendung.

Vier Tage spaeter ist das Ergebnis da: eine multiresistente Tuberkulose – aber Brenda von unserer Tb-Klinik bittet noch waehrend der Eroeffnung dieser Nachricht um eine Wiederholung  des Tests. Bevor man mit den Reservemedikamenten behandelt, muss wirklich sicher sein, dass das Ergebnis kein Irrtum ist. Felistes moechte genau wissen, was es damit auf sich hat, ob es schlimm ist, ob es ansteckt, ob sie wieder gesund werden kann, und und und,  und wir nehmen uns Zeit fuer alle Fragen. Und dann wird noch einmal punktiert.

Noch einmal vier Tage spaeter ist Felistes wieder da. „Dr. Sabine, your friend is there!“ wird sie mir angekuendigt. Wenn man schon so oft und viel ueber so wichtige Dinge miteinander gesprochen hat, entsteht eine gewisse Naehe. Das Ergebnis ist nun zum Glueck doch keine multiresistente, aber eine (seltene!) Knochentuberkulose des Brustbeins.  Und damit kann fuer Felistes das neue Jahr schon ein bisschen heller beginnen: die Krankheit hat einen Namen und kann gut behandelt werden.

 

weitere Informationen zum Projekt unter http://www.german-doctors.de

(Danke an Sandra fuer das Foto!)

 


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!Jubilaeum!

In diesem Jahr runden sich 20 Jahre, in denen German Doctors (zu Gruenderzeiten noch „Aerzte fuer die Dritte Welt“ genannt) den einheimischen Mitarbeitern im Baraka Health Center zur Seite stehen. Denn nach wie vor scheint es fast ein Ding der Unmoeglichkeit zu sein,  einheimische Aerzte zur Verstaerkung des Teams zu finden, die willens sind, vollzeitig mitten im Slum zu arbeiten.

So sind sie immer noch da, die (aktuell fuenf)  Wazungu, die den aerztlichen Blick auf die Arbeit beitragen und natuerlich das vielfaeltig geknuepfte Netz aus der Zentrale in Bonn.

Bereits Tage und Wochen vorher liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren – der Staffchoir probte nach Dienstende im Wartebereich der Patienten, die Julileeblusen wurden verteilt, Anweisungen gegeben, geplant, gebacken, gerechnet, dekoriert, etc. etc.etc. und: daraus entfaltete sich ein rundes, buntes, bestens aus einheimischer Hand organisiertes Fest mit nahezu 1000 (!) geladenen Gaesten: eine kleine  Handvoll Weisse, der gesamte einheimische Staff, die kenianischen Kirchenverteter des katholischen Traegers, eine groessere Gruppe von Patienten und Mitarbeitern des Sozialdienstes im Slum, eine Gruppe von Musikern, dem Trommel-Ensemble von Mathare Youth, Theater, Wortbeitraege und immer wieder Tanzeinlagen fuer alle.

Zwar wurde im Vorfeld hier und da angezweifelt, ob die Weissen den richtigen Hueftschwung mitbringen wuerden (die Bedenken erwiesen sich als unbegruendet), aber schliesslich waren alle rundherum begeistert, nicht zuletzt auch von dem koestlichen Mittagessen und dem gruenweissen Riesenkuchen im German Doctor’s Look, die problemlos fuer alle gereicht haben.

Wer sich nun fragt, ob es nach 20 Jahren nicht endlich an der Zeit ist, das Projekt auf eigenen Beinen stehen zu lassen, sollte wissen, dass die Arbeit vor Ort genauso vom Hoeren und Warten gepraegt ist wie vom immer gemeinsamen Gesprach ueber den Stand der Dinge und der Balance zwischen Halten und Lassen. Vieles geschieht parallel, vieles ist in Entwicklung, viele Fuesse finden Raum zum selbstaendigen Stehen und vieles hat sich geformt und entfaltet.

So ist die Dynamik beim genauen Hinsehen deutlicher erkennbar als ein passives Gehaltenwerden – und darin ist vieles moeglich…

Mehr Projektinfos: http://www.german-doctors.de

Danke an Chantal fuer das Foto!


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Zwischenzeiten

Nachdem die Inthronisation des neuen und zugleich alten Praesidenten, ein wenig buckelig zwar, aber doch glimpflich ueberstanden ist (zu diesem Ereignis wurde ein Nationalfeiertag ausgerufen, und wieder musste die Ambulanz geschlossen bleiben) und die Nachwirkungen des Traenengases bei denen, die – zum Teil auch unfreiwillig – in die Naehe der oppositionellen Gegenveranstaltung kamen, ueberstanden sind, kann die Arbeit im Baraka Health Center weiter gehen. Zwar ist zu merken, dass immer noch einige es vorgezogen haben, sich anderswo als im Slum in Sicherheit zu bringen, aber gerade auch in der Chirurgie ist wieder gut zu tun.

Ben hat bei der Arbeit versehentlich das Holz zusammen mit dem Zeigefinger in die Kreissaege geschoben. Ein freundlicher Kumpel stand hilfreich zur Seite und hat das Ganze mit Watte verbunden und in einige Schichten duennen Mulls gewickelt. Am naechsten Tag, als Ben den Weg in die Ambulanz gefunden hat, ist das Verbandsmaterial so mit der Wunde verklebt, dass erstmal eine oertliche Betaeubung noetig ist, um ueberhaupt die Wunde anschauen zu koennen. Es braucht eine Weile, ein Fingerbad mit Betaisodonaloesung und eine feine Pinzette, bis die Reste der Fingerkuppe freigelegt sind, dann aber laesst sich sagen, dass das Ganze doch heilen wird, es ist noch genuegend vorhanden, aus dem Bens Koerper, der jung und gesund ist, eine neue Fingerkuppe rekonstuieren kann. Der neue Verband klebt dank einer Spende eine Firma in Deutschland nun auch nicht mehr an der Wunde fest.

Die 7-jaehrige Rose stellt sich nach Sturz vor einer Woche mit verformtem Handgelenk vor, ja, nickt sie, es schmerzt sehr. Im Roentgenbild ist zu sehen, dass der Wachstumsbereich des Knochens abgerissen und stark verschoben ist – ein Bruch, den wir in der Ambulanz nicht adaequat versorgen koennen, sondern weiter schicken muessen, wenn es wirklich gut werden soll. Meine Uebersetzerin spricht mit der begleitenden Auntie, die nur maessiges Interesse an der Sache zu haben scheint. Die Mutter ist heute nicht abkoemmlich, ein Vater erst recht nicht, aber es muss in diesem Fall unbedingt deutlich werden, dass Rose ihr ganzes Leben lang ein steifes und vermutlich schiefes Handgelenk haben wird, wenn die Knochen nicht wieder in die richtige Stellung gebracht werden und wir den Arm nur eingipsen. Schliesslich schicke ich Rose mit Auntie zu headnurse Lilian. Diese erklaert, wirbt um Einsicht, stellt den Kontakt her zu dem gerade noch ein paar Tage in der Kinderklinik operierenden, europaeischen Gastchirurg her, und mit dieser Klinik gibt es zudem eine Partnerschaft, so dass ein bestimmtes Kontingent von kleinen Patienten zu nur geringen Kosten behandelt werden kann. Und endlich machen sich die beiden auf den Weg. Und schon scheint die Zukunft fuer Rose wieder ein wenig heller…

Die Daily Nation berichtet in diesen Tagen neben der allgegenwaertig heissen Tagespolitik vor allem von den Ergebnissen der KCPE-Pruefungen (Kenia Certificate of Primary Education). Viele Seiten der Tageszeitung sind mit Fotos gluecklicher Schueler und stolzer Eltern gefuellt. Das beste Ergebis im ganzen Land hat ein Albinomaedchen ereicht: 455 von 500 Punkten! Die 14-jaehrige Goldalyn Kakuya macht mit ihrem vorbildlichen Ergebnis vor allem auch denen Mut, die sich wegen koerperlicher Behinderungen oder Auffaelligkeiten benachteiligt fuehlen. Vor allem sei sie „an inspiration to persons living with albinism“, die wegen Stigmatisierung, Aberglauben und der hohen Lichtsensibilitaet in Afrika eine schweren Stand hatten und hier und da auch noch haben. Und ueberhaupt sind die Maedchen auf dem Vormarsch – unter den Kindern mit den besten Abschluessen sind mehr als die Haelfte „young ladies“.

(Danke an Sascha fuer das Foto!)

…mehr Infos: http://www.german-doctors.de

 


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African Ladies – Merceline, student to be

I met 23-year old Merceline, when I was looking for her mother, who has her 4-squaremeter tailor-business on the main road of Mathare valley at village market. Mama Lucy was not around, but busy to get some buttons coated with the same fabric as the blouse she had sewn. Meanwhile Merceline welcomes the clients and also does some sewing. Being asked, what she wants to do in the future, she tells me about her plans quite precisely (and she does not want to continue tailoring).

Big Dream No.1 would be to study food production at Utalii College, but this one is also the most expensive variation. The 600 Euro for 1 semester are just too much for the daughter of a widow. But she does not give up yet – she even has set up a plan for one year to find a way. – Is it not possible to get into the business by volunteering, I ask her? – Not, if there aren’t any connections, she explains. And there are none.

Small dream No.2: Join the cabin crew of an airline would have been great, too, but Merceline has doubts.  After training, she thinks, she will already be too old for that (!). Small dream No.3: Nursing would be another possibility, but there again is the problem of finance – nursing school is expensive, too.

And if these three dreams will not come true – she could still be a farmer at Homa Bay, which is the home of her family. What would she like to grow then? Maybe melons and maize.

As I ask about her motto, Merceline tells me just one word: „success“! First aim will be to find a way to start college. Even her boyfriend has to wait. Time for a family is not right yet. First she has to get her life organized, she says.

Is she proud of her country, I ask? At least I have heard, that Kenia is one of the rising nations in Africa. – There is only profit for a few, Merceline thinks, most Kenians are struggling hard. Though:  public facilities might be better then in other african countries…. 

 

Der 23-jährigen Merceline bin ich begegnet, als ich auf der Suche nach ihrer Mutter war, die ihr 4 qm grosses Schneiderlädchen auf der Hauptstrasse in Mathare Valley am Village Market hat. Mama Lucy war nicht zugegen, sondern gerade damit beschäftigt, Knöpfe in dem gleichen Stoff beziehen zu lassen wie die Bluse, die sie genäht hatte. Währenddessen hält Merceline die Stellung, heisst die Kunden willkommen und näht auch ein wenig. Auf die Frage, was ihre Pläne für die Zukunft sind, hat Merceline sehr konkrete Vorstellungen. Und die Schneiderei soll es nicht sein.

Der grösste Traum: am Utalii College Ernährungswissenschaften zu studieren. Allerdings wäre das auch die teuerste Variante. Die 600 Euro pro Semester kann ihre verwitwete Mutter nicht aufbringen. Aber noch will Merceline diesen Traum nicht aufgeben. Eine Jahresfrist hat sie sich gesetzt, um vielleicht doch noch einen Weg zu finden. – Ob man nicht über ein Praktikum hinein kommen kann, frage ich? – Nicht, wenn man keine Beziehungen hat, meint Merceline. Und sie hat keine in diesem Bereich.

Ein anderer, kleiner Traum war, Stewardess zu werden. Aber wenn erst die Ausbildung geschafft ist, wäre sie vermutlich schon zu alt(!). Sie hat gehört, dass die Mädels im Flieger alle Anfang Zwanzig seien. Und dann wäre da noch die Idee, Krankenschwester zu werden, aber da mangelt es wieder an den Finanzen. Die Schwesternausbildung ist auch teuer in diesem Land.

Und wenn all das nichts wird, könnte sie immer noch Farmerin in Homa Bay, der Heimat ihrer Familie, werden. – Was würde sie anpflanzen wollen, frage ich? – Melonen und Mais vielleicht, doch, das wäre ein Plan…

Hat Merceline ein Motto? Ein einziges Wort sagt sie mir: „Erfolg“. Jetzt will sie erstmal schauen, ob es nicht doch irgendwie mit dem College klappen kann. Auch ihr Freund muss sich noch eine Weile gedulden. Sie möchte noch keine Familie gründen. Zuerst möchte sie Struktur in ihr Leben bringen.

Ob sie stolz auf Kenia ist, frage ich? Immerhin ist das Land eines der aufstrebenden in Afrika. Davon profitieren nur wenige, meint Merceline. Die meisten Kenianer müssen sich sehr mühen, um sich über Wasser zu halten.  Allerdings, die öffentlichen Einrichtungen sind vielleicht garnicht so schlecht…