Die Nacht liegt ruhig, gebettet auf Grillengegeig, Froschquaken verschiedener Tonhöhen, Nachtvogelstimmen. Es ist ein vielstimmiges Zirpen, hin und wieder von einem Bassquaker begleitet, auch gibt es ein Tier, dessen Stimme klingt, als fiele ein Tröpfchen ins Wasser, was sich dann in der Geschwindigkeit steigert, so dass man den Eindruck einer undichten Wasserleitung hat, gerade da frage ich mich, wie dieses Tier wohl aussehen mag? Ein Vögelchen, klein, mit langem, gebogenem Schnabel? Ein Minifrosch? Ab und zu ein Pfeifen – eine Riesenmaus? Ein Klippschliefer? Letztere sehen ja immer ein bisschen muffelig aus, wie verärgerte Murmeltiere, die sich gleich über irgendetwas beschweren möchten…
Mein Zimmer, direkt oberhalb der Krankenstationen gelegen, hat große Ohren, zumal immer das Fenster weit offen steht. Wenn nicht gerade jemand seinen Müll verbrennt, ist die Nachtluft frisch und würzig.
Unten läuft weinend ein Kind durch die Station, mal lauter, mal leiser, klagend, dazwischen Stimmen, mal ungehalten, mal aufgeregt. Wetterleuchten über dem Viktoriasee. Sterne. Ich denke über die Niederlagen des Tages nach.
Die junge Frau mit dem so lange verschleppten Abszess der linken Brust, weil keiner so recht Mumm hatte, einmal richtig unter Kurznarkose hinein zu schneiden, ordentlich zu spülen, dann wäre die Wundfläche jetzt um ein mehrfaches kleiner. Es helfen eben nicht jedesmal nur Antibiotika…
Der Schulbub, schwer atmend, lebensbedrohlich krank, alle Symptome eines weit fortgeschrittenen lymphatischen Tumors, aber quälend langsam behandelt, ja eigentlich bisher nur durch die Diagnostik geschickt, an einem Tag im Ultraschall, am nächsten nochmal Labor, und dann, noch zwei Tage später, ein CT, das in Deutschland befundet wird und dann zuweilen erstmal noch übersetzt werden muß und natürlich reicht das Geld nicht, genau an der Stelle, wo man denkt, die Zeit läuft ab, der Bub kann nur noch im Sitzen schlafen, weil er kaum atmen kann, und man denkt, jetzt muß etwas passieren, am besten gestern, aber auch morgen wird noch dies und das überlegt…
Gibt es Lösungen? Unkonventionelle? Vorsichtig diplomatisch formulierte Lösungsvorschläge? Es muß gut abgewogen sein, wer was bezahlen soll oder kann, wo was geschehen kann oder darf, und jetzt vor allem wann?
Und der Kampf um die Schere, eine einfache Schere für das Verbandszimmer, nicht steril, aber sauber, für diejenigen, deren Fingernägel nicht scharfkantig sind, die aber dennoch gerne Pflaster, Mull und anderes zurechtschneiden würden, wenn, ja wenn es eine Schere gäbe? Ich denke an all die Scheren, die im Lager auf ihren Einsatz warten, aber ist derjenige, der den Schlüssel hat, erreichbar, wenn eine Schere gebraucht wird?
Das Gesumm der Moskitos endet am Netz. Was die Ameisen wohl im Dunkeln planen? Einen neuen Eroberungsversuch verlockender Dinge in Schrank oder Koffer?
Morgen ist ein neuer Tag. Neue Chancen, neue Möglichkeiten. Was haben wir uns kürzlich zugesprochen? Hoffnung ist immer…
Morgen werden wir wieder, inmitten der stark abgeblassten, aber tief verschneiten bayrischen Schneeberge im Sprechzimmer (die ein Recyclingfan aus dem Spendenkonvolut entnommen und dort aufgehängt hat) hoffnungsvoll an der Zukunft arbeiten.
(Lala salama: Kisuahili für ‚Schlaf gut‘, wörtlich übersetzt ‚Liege im Frieden‘)