sabinewaldmannbrun

Farbe. Linie. Sehen.


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Mütter

Die Mutter von Milka(8 Monate) ist beschäftigt. Zwar müssen die beiden ein Weilchen warten, bis sie in den Behandlungsraum kommen können, aber so wird die Zeit nicht lang: das Kind patscht mit seinen kleinen Händen so lange an Mamas Maske, bis dahinter ihr Lächeln zum Vorschein kommt, dann lachen beide. Das läßt sich beliebig oft wiederholen. Das Mädel ist auch nicht wirklich krank, ein Pickel am Arm soll begutachtet werden.

Die Mutter von Violet(3 Monate) zieht die Maske über die Augen. Ein großer Abszeß, der fast die Hälfte des Oberschenkels ihrer Tochter einnimmt, soll jetzt, nach einer Woche, endlich geöffnet werden, und das will sie nicht mit ansehen. Sie dachten ja, es würde vielleicht von selbst wieder gut…

Die Mutter von Omoto (7 Jahre) ist besorgt. Während wir die Verbrennungen ihres Sohnes an Bauch und Beinen verbinden, pfeift, zischt und dampft direkt neben der Untersuchungsliege der Sterilisator und lässt alle paar Minuten ein brüllendes Schnaufen ab. Bislang ist noch nichts explodiert. Aber wer weiß?

Die Mutter von James(17 Jahre) weint. Ihr Sohn hat eine komplizierte, verschobene Fraktur am rechten Ellbogen – im Gelenkspalt sitzt zudem noch ein Knochensplitter – die wir nicht behandeln können. Der Bruch muß unter Röntgenkontrolle im Krankenhaus gerichtet werden, und dafür ist kein Geld da. Vielleicht kann die Verwandtschaft noch ein paar Schillinge zusammenkratzen, aber das dauert zu lange. Seit dem Unfall ist schon eine Woche vergangen. Wir schicken die beiden trotzdem mit einem Überweisungsblatt in unser Referalhospital und hoffen, dass auch hier der Sozialfond noch ein bißchen hergibt. Wenn nicht, wird James sein Leben lang den rechten Arm nicht richtig benutzen können.

Die Mutter von Everlyne und Elizabeth, beide Mitte 50, wird von ihren Töchtern wegen Schulterschmerzen gebracht. Die drahtige Über-Siebzigjährige ist noch sehr aktiv im Management von Häuschen und Garten up-country im Dorf, aber beim Schleppen der schweren Wasserkanister ist es ihr vor drei Tagen schmerzhaft in die Schulter gefahren. Und nun schmerzt es beim Heben des Arms. Ich stelle mir unsere Rentnerinnen zuhause vor, wenn sie ihr Wasser in gelben 10-Liter-Kanistern holen gehen müssten. Gibt es keine Enkel, die tragen helfen könnten, frage ich? Ach, die machen das nicht richtig, winkt die alte Dame ab.

Die Mutter von Lucy(4 Jahre) ist nicht da. Dafür bringt ein Auntie das Kind, das von einem Motorrad angefahren worden sei. Vom Unfallhergang weiß sie nichts, und kann auch sonst nicht viel sagen, es muß ein sehr entferntes Auntie um viele Ecken herum sein, und auch der Fahrer ist schon wieder auf Tour mit einer Kundin, obwohl er eigentlich hätte berichten sollen. Die Untersuchung ergibt nur ein paar Abschürfungen am Arm und Knie. Und dann kommt doch noch der Fahrer vorbei: mit Pudelmütze und Sonnenbrille (statt Helm) und Wollpullover (die preiswertere Schutzausrüstung). Nein, angefahren habe er das Kind nicht, es sei nur beim Ausweichen gestürzt. Zum Glück ist nicht mehr passiert. Da gab’s schon ganz andere Geschichten.

Die Mutter von Brian(5 Jahre) freut sich, dass der Gips, bzw. das, was davon noch übrig ist, jetzt endlich abgenommen wird. Schon viel früher hat der Sohn trotz Ermahnung seine üblichen Aktivitäten wieder aufgenommen, und das sieht man dem Gips an: staubgrau, fluselig, teilweise aufgeweicht und hier und da durchgebrochen. Hauptsache, es tut nichts mehr weh und der Arm sieht wieder gesund aus.

Als wir abends verschwitzt und müde nachhause kommen, steht John vor unserer Tür, treuer Fahrer und Manager zahlreicher Ausflüge von Generationen von German Doctors. Mager sieht er aus, ein Zahn ganz vorne fehlt. Er wollte uns begrüßen, fragen, ob wir nicht wieder auf Reisen gehen wollten? Die Not muß groß sein, denke ich, noch nie ist er von selbst vorstellig geworden. Schön, dass wir wieder da seien, strahlt er, und er habe noch Kapazitäten frei.

Wir sind in bißchen ratlos, eigentlich wollten wir erstmal nicht weiter planen. Und hatten auch nicht mit einem Besuch gerechnet. Ob er ein Glas Wasser haben dürfe, fragt John, noch immer steht er am Eingang. Ein Glas Wasser wird geholt, auch eine Tischdecke für den Gartentisch, aber da ist er schon wieder auf dem Rückzug, er spürt, es paßt nicht. Ob wir an ihn denken würden? Wir versprechen es.

Was denkst du, frage ich später beim Abendbrot die kenianische Kollegin, waren wir unhöflich ? Hätten wir ihn zum Essen einladen sollen? Ja, sehr unhöflich, sagt sie, wenn hier einer käme, bitte am ihn herein. Biete ihm an, eine Tasse Tee zu kochen. Man lade ihn zum Essen ein. Und wenn er wolle, dürfe er einen Monat lang bleiben.

(mehr über unsere Projekte unter http://www.german-doctors.de)


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Ansage vom Chef

Die Medien sind nach wie vor prall gefüllt mit Nachrichten um die Infektionslage. Allerdings unterscheiden sich die Schwerpunkte deutlich. Während in Deutschland derzeit fieberhaft überlegt wird, ob, wie, wohin und wann in Urlaub gefahren werden kann und wie die wirtschaftliche Lage sich gestaltet, kann anderswo Hauptthema sein, wie man überhaupt etwas zu Essen auf den in der Hütte nicht mal vorhandenen Tisch bekommt.

Als ich am letzten Mittwoch zuhause eine Portion Wäsche vom Ständer pflückte, hörte ich auf dem untermalenden SWR2-Impuls im Radio plötzlich eine vertraute Stimme: unser kenianischer Chef vom Baraka Health Center in Nairobi, den ich sonst nur einmal im Jahr vor Ort in Mathare die Ehre habe zu treffen, berichtet über die Lage im Slum und wie sich unsere Arbeit dort zur Zeit gestaltet.

Im Moment sind ja keine German Doctors dort, aber die Begleitung aus der Ferne macht es ein bisschen leichter, die nicht einfache Lage in Corona-Zeiten durchzustehen. Nachdem ich ab und zu mal eine mail auf den weiten Weg schicke, wenn ich etwas Ermutigendes entdecke, weiß ich schon von George, dass alle Patienten sich die Hände waschen, bevor sie eintreten (was sich nicht so einfach gestaltet wie hier bei uns, weil es immer mal auch nicht genug Wasser gibt), das arbeitende Team mit Masken und Handschuhen versorgt ist, und die Patientenaufteilung und -führung vor Ort an die Hygienevorschriften angepasst worden ist.

Die Patientenzahlen sind niedriger als sonst, einerseits, weil es keine Ärzte gibt, die man auch wegen spezielleren Anliegen aufsuchen könnte, andererseits, weil die chronisch kranken Patienten jetzt ihre Medikamente für einen längeren Zeitraum erhalten, um sich weniger oft unter die Wartenden mischen zu müssen. Das einheimische Personal nimmt teilweise und im Wechsel seinen bezahlten Jahresurlaub. Dennoch berichtet George noch von etwa 130 Hilfesuchenden am Tag.

Unsere Patienten haben mit grundsätzlichen Problemen zu kämpfen, viele haben ihre kleinen, ernährenden Tagesjobs verloren und die Reisebeschränkungen tragen ein übriges dazu bei. Daher gibt es deutlich mehr Mütter und Kinder, die auf Unterstützung aus unserem Nutrition Center angewiesen sind. Auch zu besseren Zeiten haben wir ja hin und wieder unseren schlecht ernährten Patienten einfach ein regelmäßiges Essen verschreiben können, nun hat sich die Zahl der Bedürftigen in dieser Hinsicht verdreifacht.

Wie es unseren chirurgischen Patienten geht, wie Brüche heilen, die kaum versorgt sind, und Wunden und Infekte sich entwickeln, wenn sie verschleppt werden, mag ich garnicht überlegen.

Wunderbar aber ist zu hören, dass keiner aus dem Team unserer einheimischen Mitarbeiter noch ihre Familien bisher von dem Virus direkt betroffen sind.

Wer mithelfen will, dass das Ernährungsprogramm weiterhin gut aufgestellt ist (und es geht da nicht um Nobles, sondern lediglich um Einfaches wie ein Hügelchen Reis mit gehaltvoller Soße pro Tag), findet Informationen und Spendemöglichkeiten auf der Seite von

http://www.german-doctors.de

(und herzlichen Dank an Hans-Henning Koch für das Foto vom Ort des Geschehens…)


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Mathare und Corona?

Wer die Karte der WHO mit Dokumentation der nachgewiesenen Fallzahlen betrachtet, sieht weite, unberührte Flächen in Afrika. Heutiger Tages-Stand am 28.2.20: drei nachgewiesene Erkrankungen auf dem gesamten Kontinent. Wer nun meint, dies wäre ein Zeichen nicht vorhandener Patienten, sollte unbedingt neu denken: die Kontakte zwischen China und Afrika sind weitreichend und ausführlich. Die Möglichkeiten zum Nachweis der Erkrankung rudimentär. Und wen interessiert dort bisher wirklich eine Erkrankung, die sich meist hauptsächlich durch Erkältungssymptome kundtut? Das Szenario einer Einschleppung in den Slum ( und die Lokalität ist austauschbar mit allen Armensiedlungen auf dieser Welt ) würde ich mir lieber nicht vorstellen. Die schwierigen Hygieneverhältnisse, das Fehlen sanitärer Anlagen, die Unmöglichkeit, zuhause jemand unter Quarantäne zu stellen, das fehlende Geld für Krankenhausbehandlungen, die Immunschwäche, die schlechte Ernährung, die vielen, zum Teil schweren Grunderkrankungen…Während wir uns hier eigentlich nicht fürchten müssten in unserem gut strukturierten, reichen Gesundheitssystem, wäre dies dort eine ganz andere Problematik…


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Unkonventionelle Methoden?

Gabriel, 52 Jahre alt, stellt sich mit Rückenschmerzen vor. Er habe gestern solche Schmerzen gehabt, er habe einen Freund gebeten, sich mit den Füßen auf die betreffende Seite am Rücken zu stellen. Es könne ja nur etwas verschoben sein, und damit gebe es doch eine Chance, dass sich etwas wieder gerade rückt? Aber jetzt schmerze es noch mehr… Was er denn arbeite? Gabriel schleppt Pakete mit Steinen auf den Bau. Nein, es gibt kein Fahrzeug, man müsse die Teile auf den Rücken laden…

Mary, 32 Jahre alt, hat ebenfalls Rückenschmerzen, aber auch die Arme fühlen sich schwach und weh an. Was sie denn arbeite? Sie müsse Wasserflaschen transportieren. Gebinde a 24 Stück, davon jeweils 4 Stück, müssen auf dem Rücken zum Verkaufsbüdchen gebracht werden. Jeden Tag seit 2 Jahren.

Wendy, 49 Jahre alt, arbeitet in einer Fabrik. Auch sie hat Rückenschmerzen. Ich bitte sie, zu beschreiben, was sie täglich tut.  Sie erzählt, dass etliche Personen eine Reihe bilden und Säcke mit Baumaterial vom einen zum anderen gereicht würden. Ja, die Säcke seien schwer.

Zwischen zwei Patienten gehe ich hinüber in die Pharmacy, wo die leitende Schwester und ihre Stellvertreterin gerade am beratschlagen sind. Was empfehlt ihr mir, frage ich, wenn die Patienten, die froh sind um jeden noch so unmöglichen Job, Hauptsache, man kann damit wenigstens ein bisschen Geld verdienen, davon Schmerzen bekommen und ihre Gesundheit ruinieren? Was soll ich ihnen sagen? Was hilft ihnen?

Sie sollen sich ausruhen, sagen die beiden klugen, lange berufserfahrenen Kenianerinnen.  Und ihre Arbeit? Ist das nicht riskant, dass man einfach ausgewechselt wird, hier, wo es so viele junge Leute gibt, die Arbeit suchen? Du darfst dir das nicht so zu Herzen nehmen, meinen die Ladies, schick sie ohne Schmerztabletten zum Ausruhen nachhause, sonst haben sie bald Magengeschwüre.

William kommt hinkend in unser Sprechzimmer. Ein Ast dient ihm als Stütze. Der Unterschenkel schmerzt. Vor 3 Wochen war er gestürzt und hatte in einem Privat-Hospital eine Salbe erhalten. Nein, kein Röntgenbild. Dafür hatte das Geld nicht gereicht. Ich schicke ihn zum Röntgen: der grosse Unterschenkelknochen ist gebrochen. Hoffentlich heilt alles doch noch, wenn auch arg verspätet, gut in unserem Gips…

Die Daily Nation berichtet wieder mit vielen Fotos und Interviews über die Kinder, die das letzte Schuljahr mit den besten Punktzahlen abgeschlossen haben. Wieder sind viele Mädchen dabei, die auch grosse Pläne haben!

(Mehr über unsere Projekte unter http://www.german-doctors.de)


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Medizin und Armut?

Julie stellt sich mit grossflächigen Hautablösungen an beiden Fussrücken vor. Unbedingt gefragt werden muss, was und wie die Patienten arbeiten, um zu verstehen, welchen Umständen sie ausgesetzt sind. Julie arbeitet den ganzen Tag barfuss in Gummistiefeln. Und schwitzt darin. Sind es ihre eigenen? Stellt sie der Arbeitgeber zur Verfügung? Sind irgendwelche Chemikalien hinein geraten? So richtig lässt sich die Ursache nicht herausschälen. Ach ja, vor zwei Wochen hatte sie einen Unfall mit dem Motorradtaxi, sie wurden von der Strasse abgedrängt und fielen samt Motorrad in einen Fluss. Passanten hätten ihnen wieder heraus geholfen (ich denke an die Gynkollegin, die kürzlich mit dem Motorradtaxi und ohne Helm in die Stadt brauste). Ob es an Abwässern lag? Wer weiss? Ich trage die Hautfetzen nach einem Fussbad vorsichtig ab, Julie erhält einen Verband und die Bitte, alles gut trocken zu halten, und in den Stiefeln niemals barfuss zu arbeiten, sondern frisch gewaschene Socken zu tragen. Nach zwei Wochen ist alles wieder gut und geheilt.

Robert kann kaum atmen. Die Hose passt nicht mehr, weil die Beine so dick geschwollen sind. Eigentlich möchte er von mir wissen, was man gegen die Druckgeschwüre an den beiden grossen Zehen tun kann, auch die Schuhe passen nicht mehr und drücken ganz schrecklich. Und der Hoden sei geschwollen. Wir bitten ihn, die Hose abzulegen. Zum Vorschein kommen grosse Wunden an den Knien, auf einer Seite ein Wundkrater von 5 cm Durchmesser. Was denn geschehen sei? Robert sagt uns, er könne nur noch im Knien schlafen, anders könne er nicht atmen. Nach Versorgung der Wunden und Ausschluss all dessen, was als üble Ursachen infrage kommen könnte, schicke ich den Patient zum internistischen Kollegen, der die vermutete schwere Herzinsuffizienz weiter behandelt.

Peter hat sich an Weihnachten bei einem Besuch up country bei der Familie versehentlich einen Dorn in den rechten Mittelfinger gestochen. Erst nach fünf Tagen hat er ein Health Center erreicht, wo der Fremdkörper heraus gezogen werden konnte. Der Finger sind grauenvoll aus, selbst wenn man einiges gewohnt ist, dauert einen dieser Zustand bei einem so jungen Patient.  Die Strecksehne ist lose und zerfetzt, der Knochen liegt bloß, aus dem Gelenk tropft der Eiter. Auch ein desinfizierendes Bad und ein vorsichtiges Debridement ändern daran nichts. Der Finger kann nur noch amputiert werden.

Eine Lady mittleren Alters mit rosa Gepardenmusterhütchen, grauem Sweater und gemustertem Rock stellt sich vor. Seit 3 Jahren ist sie von Bauchweh, Knieschmerz und einem Klingeln im Kopf geplagt. Wenn Patienten eine so lange Krankengeschichte berichten, muss zuerst gefragt werden, welche Kollegen schon was untersucht und therapiert haben – das kann zuweilen viel Zeit und Geld sparen. Und sieh da: es gab bereits eine Blut- und Urinuntersuchung, ein CT, 2 Gastroskopien im Abstand von einem Jahr und vor eine Woche hat ein professoraler Kollege unseres Uniklinikums ihr ein Stäpelchen Medikamente verordnet, die sie seitdem tapfer schluckt: 5 verschiedene Pillen für Magen, Psyche und Rücken. Dem kann ich nichts hinzufügen, sage ich. Unsere solide, aber basisorientierte Ausstattung hat da nichts zusätzlich Neues im Angebot. Die Lady ist nicht zufrieden, man sieht es ihr an. Wir versuchen, den Wert ihrer bisherigen Versorgung herauszustellen, was nur ansatzweise gelingt…

Eine junge Mutter mit Baby kommt nach einem Matatu-Unfall. Der Minibus war umgekippt und Lasten und Mitfahrer auf die Patientin gestürzt, der es zwar gelang, das Baby zu schützen, die aber dabei allerlei Prellungen abbekommen hatte. Zum Glück erzählen nur hier und da ein paar blaue Flecken von anderer Leute Taschen, Knien oder Ellbogen. Was für ein Glück. Nicht immer gehen die Matatuunfälle so gut aus.

Am Ende des Tages, wenn noch ein bisschen Zeit ist,  machen wir im Dressing-Room wieder Röntgenbilderquiz. Die Schwestern dürfen – mit viel Spass – anhand von einem ausgewählten Röntgenbild – raten, wie alt der Patient ist, welche Knochen man sieht, wo die Fraktur sitzt und welchen Gips man dafür braucht. Alle machen grosse Fortschritte oder polieren früher Gelerntes wieder auf. Es wird viel gelacht…

Mehr über unsere Arbeit in diesem Projekt unter http://www.german-doctors.de

 

 


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African Ladies – Sharon

21-years old Sharon lives in Mathare Valley for some time already with her mother and sister. But since her mother is a faithful and reliable worker, the girls could get a good  education right from the beginning. Starting at St. Benedict’s primary school when she was 3 years old, she could continue with secondary school, which she completed in 2013. Because there was not enough money for 1 year, she stayed at home to help with the daily issues before she could continue at KIPS (Kenyan Institute of Professional Studies) in 2015: she enrolled in information and communication technology. After one successful year she had to stop again because of financial problems and is waiting now for a chance to continue. 

When Sharon told me what would be necessary to continue her studies, I thought: it is not a high amount – but five years, until she would achieve her goal is a long time to go. Is there a possibility for a shorter education, I ask her? Her dream is to finish what she started. But, if she was able to continue at least for 2 years, she could work as a secretary. Is there another alternative, I ask her, and feel bad about these dream- crushing questions. No, Sharon says, this is her dream.  And she will stay with it.

Where does she see herself in 10 years, I ask, not willing to let go hope for this bright girl. She wants to be a system analyst and work in one of the ministries of her country. And she would try to gain enough influence to lower school fees ( there is a trace of a smile when she mentions that).

And her motto? Never loose hope, Sharon says. Determination. Focusing life.

 

Die 21jährige Sharon lebt schon seit geraumer Zeit mit ihrer Mutter und der kleineren Schwester in Mathare Valley. Aber da die Mutter eine tüchtige und verlässliche Arbeiterin ist, konnten die Mädchen von Anfang an in die Schule gehen. Nachdem Sharon mit drei Jahren in der St. Benedict’s Primary School ihre Ausbildung begonnen hatte, konnte sie 2013 die Secondary School abschliessen. Nach einer wegen finanzieller Engpässe eingelegten Pause von einem Jahr begann sie ihr Studium am Kenyan Institute for Professional Studies. Hier reichten die Ersparnisse gerade mal für ein Jahr. Jetzt wartet sie auf eine Möglichkeit, ihr Studium fort zu setzen.

Als sie mir erzählt, um welche Beträge es sich handelt, denke ich, so hoch sind sie nicht. Aber für fünf Jahre?! Gibt es nicht eine schlankere Variante, für die man nicht so lange Geld investieren muss? Nach zwei Jahren könnte sie zumindest eine Stelle als Sekretärin finden, meint Sharon. Und eine andere Alternative, frage ich, und schäme mich für dieses Beharren auf einer Sparvariante. Nein, sagt Sharon. Sie will ihren Traum noch nicht aufgeben.

Wo wäre sie gerne in 10 Jahren angelangt, möchte ich wissen. Und bin nicht gewillt, die Hoffnung für dieses kluge Mädchen aufzugeben. Sie möchte im Bereich Systemanalyse arbeiten, zum Beispiel in einem Ministerium. Und vielleicht hat sie die Möglichkeit, so viel Einfluss zu gewinnen, dass die Schulgebühren für kluge Mädchen gemindert werden können (ein halbes Lächeln huscht vorüber und ist wieder verschwunden).

Und ihr Motto? Nicht die Hoffnung zu verlieren, sagt Sharon. Entschlossenheit. Eine Punktlandung versuchen.

 


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Sanaa na upendo – Kunst und Liebe

Der Tag ist kunsthandwerklich anspruchsvoll. 11 Gipse sind neu anzulegen, dazu sind 6 Exemplare mit der Gipssaege zu enfernen, dem jeweils neu befreiten Patient zu erklaeren, wie er den in Wochen der Ruhigstellung  muede gewordenen Fuss wieder aufwecken  oder den Arm vorsichtig mit Kokosnussoel massieren und beueben kann, damit die fruehere Feinmotorik wieder zurueck kehrt. Der Mann mit der Saege hat nach kurzer Zeit Schweissperlen auf der Stirn, der Plastikmuelleimer im Dressingroom fuellt sich mit Gipsschalen, so dass wirklich garnichts mehr sonst hinein passt, die kleineren Patienten bruellen wie am Spiess, weil sie noch nicht wissen, dass die kreischende Saege nur Hartes, aber nichts Weiches schneidet.

Waehrenddessen werden die Neuen angelegt – ein Gips muss passen, darf nicht druecken oder zu schwer sein, sollte ordentlich aussehen und zudem fuer die Fraktur  der richtige sein (alles nicht selbstverstaendlich). Ich liebe dieses feine Modellieren, das Handinhandarbeiten, so es denn gut klappt. Und bin froh ueber den einen oder anderen „starken Mann“, der flexibel ein schweres  und mit jeder hinzukommenden Gipsbinde schwereres Bein haelt – insbesondere einen, der heute einen weissen Kittel mit dem Aufdruck „The strong heart of Africa“  traegt, nehmen wir mehrmals in Anspruch.

Bei einer der Ladies finde ich bei den aus dem zu kontrollierenden Beingips herausschauenden Zehen wunderbare Malereien auf den Naegeln vor – sie war in einem Nagelstudio! Pinkfarbene Linien und blaue Puenktchen ergeben ein prachtvolles  Bild am schwarzen Fuss zum  weissem Gips.

„Das ist gut“, sagt Jane Rose, „so fuehlt sich das Bein geliebt nach all dem Stress mit der Fraktur und dem Gips!“

 

…mehr über unsere Arbeit unter:

https://www.german-doctors.de/de/projekte-entdecken/nairobi

 

 


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African Ladies – Merceline, student to be

I met 23-year old Merceline, when I was looking for her mother, who has her 4-squaremeter tailor-business on the main road of Mathare valley at village market. Mama Lucy was not around, but busy to get some buttons coated with the same fabric as the blouse she had sewn. Meanwhile Merceline welcomes the clients and also does some sewing. Being asked, what she wants to do in the future, she tells me about her plans quite precisely (and she does not want to continue tailoring).

Big Dream No.1 would be to study food production at Utalii College, but this one is also the most expensive variation. The 600 Euro for 1 semester are just too much for the daughter of a widow. But she does not give up yet – she even has set up a plan for one year to find a way. – Is it not possible to get into the business by volunteering, I ask her? – Not, if there aren’t any connections, she explains. And there are none.

Small dream No.2: Join the cabin crew of an airline would have been great, too, but Merceline has doubts.  After training, she thinks, she will already be too old for that (!). Small dream No.3: Nursing would be another possibility, but there again is the problem of finance – nursing school is expensive, too.

And if these three dreams will not come true – she could still be a farmer at Homa Bay, which is the home of her family. What would she like to grow then? Maybe melons and maize.

As I ask about her motto, Merceline tells me just one word: „success“! First aim will be to find a way to start college. Even her boyfriend has to wait. Time for a family is not right yet. First she has to get her life organized, she says.

Is she proud of her country, I ask? At least I have heard, that Kenia is one of the rising nations in Africa. – There is only profit for a few, Merceline thinks, most Kenians are struggling hard. Though:  public facilities might be better then in other african countries…. 

 

Der 23-jährigen Merceline bin ich begegnet, als ich auf der Suche nach ihrer Mutter war, die ihr 4 qm grosses Schneiderlädchen auf der Hauptstrasse in Mathare Valley am Village Market hat. Mama Lucy war nicht zugegen, sondern gerade damit beschäftigt, Knöpfe in dem gleichen Stoff beziehen zu lassen wie die Bluse, die sie genäht hatte. Währenddessen hält Merceline die Stellung, heisst die Kunden willkommen und näht auch ein wenig. Auf die Frage, was ihre Pläne für die Zukunft sind, hat Merceline sehr konkrete Vorstellungen. Und die Schneiderei soll es nicht sein.

Der grösste Traum: am Utalii College Ernährungswissenschaften zu studieren. Allerdings wäre das auch die teuerste Variante. Die 600 Euro pro Semester kann ihre verwitwete Mutter nicht aufbringen. Aber noch will Merceline diesen Traum nicht aufgeben. Eine Jahresfrist hat sie sich gesetzt, um vielleicht doch noch einen Weg zu finden. – Ob man nicht über ein Praktikum hinein kommen kann, frage ich? – Nicht, wenn man keine Beziehungen hat, meint Merceline. Und sie hat keine in diesem Bereich.

Ein anderer, kleiner Traum war, Stewardess zu werden. Aber wenn erst die Ausbildung geschafft ist, wäre sie vermutlich schon zu alt(!). Sie hat gehört, dass die Mädels im Flieger alle Anfang Zwanzig seien. Und dann wäre da noch die Idee, Krankenschwester zu werden, aber da mangelt es wieder an den Finanzen. Die Schwesternausbildung ist auch teuer in diesem Land.

Und wenn all das nichts wird, könnte sie immer noch Farmerin in Homa Bay, der Heimat ihrer Familie, werden. – Was würde sie anpflanzen wollen, frage ich? – Melonen und Mais vielleicht, doch, das wäre ein Plan…

Hat Merceline ein Motto? Ein einziges Wort sagt sie mir: „Erfolg“. Jetzt will sie erstmal schauen, ob es nicht doch irgendwie mit dem College klappen kann. Auch ihr Freund muss sich noch eine Weile gedulden. Sie möchte noch keine Familie gründen. Zuerst möchte sie Struktur in ihr Leben bringen.

Ob sie stolz auf Kenia ist, frage ich? Immerhin ist das Land eines der aufstrebenden in Afrika. Davon profitieren nur wenige, meint Merceline. Die meisten Kenianer müssen sich sehr mühen, um sich über Wasser zu halten.  Allerdings, die öffentlichen Einrichtungen sind vielleicht garnicht so schlecht…


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African Ladies – Judith, Guard

When Judith was 15 years old, she had to quit school, because one of her parents died. She married early and had twins as her firstborns and a boy next.  Though her husband is working in house construction, her contribution was also needed for the little family of five, and Judith started as a guard for a security service.

At 4.30 a.m. she leaves the house to walk the 90 minutes to reach her job, in the evening she comes home at 7.30 p.m. and she does this 7 days per week. She doesn’t see it as possible to take a single day off. Vacation? No chance. Her monthly payment: 90 Euros. Private dayschool for the twins is 120 Euros per month. When the children were little, Judith says, they called her „Auntie“, because she was home so seldom. By now, the twins are 8 years old and when Mom is not around they have to care for the little one, who just turned 3. 

„My family is my gift from god“, Judith says. In ten years, she hopes, there will be a better job for her, though she likes this kind of work quite much. From one of her colleagues she even could learn to make earrings and bracelets out of beads, that she can sell now. „I would like to be rich for the children.“  Yes, family is the most important thing in her life. 

(From all the pictures that we took inside and outside Judith chose this one: sitting in the little house at the entrance of her working area).

 

Als Judith 15 Jahre alt war, musste sie die Schule verlassen, weil ihre verwitwete Mutter  die Gebühren nicht mehr aufbringen konnte. Judith heiratete früh, es wurden Zwillinge geboren, und vor 3 Jahren noch ein Sohn. Obwohl ihr Mann im Baugewerbe arbeitet, wird für den Unterhalt der fünfköpfigen Familie auch ihr Einsatz gebraucht.

Zu ihrer Arbeit im Sicherheitsdienst bricht sie morgens um 4.30 Uhr auf und geht 90 Minuten zu Fuss zu ihrer Arbeitsstelle. Heim kommt sie abends gegen 19.30 Uhr.  Sie hat eine 7-Tage-Woche und sieht keine Möglichkeit, einmal frei zu nehmen. Urlaub gibt es keinen. Dafür erhält sie umgerechnet 90 Euro im Monat. Das ist schon fast der Betrag, der für das Schulgeld der Zwillinge aufgebracht werden muss: 120 Euro im Monat. Als die Kinder klein waren, erzählt Judith, haben sie „Tante“ zu ihr gesagt, weil sie so selten zuhause war. Heute sind die Zwillinge 8 Jahre alt und müssen sich um den Dreijährigen kümmern, wenn sie nicht da ist.

„Meine Familie ist ein Geschenk Gottes an mich,“ sagt Judith. In 10 Jahren wäre sie gerne an einer besseren Arbeitsstelle, obwohl sie die Arbeit als Security sehr mag. Von einer der Kolleginnen lernte sie die Herstellung von Ohrringen und Armbändern, die sie hin und wieder verkaufen kann.“Ich wäre gern reich um der Kinder willen“, meint sie. Ja, die Familie ist ihr das Kostbarste.

(Von all den Fotos, die wir drinnen und draussen gemacht haben, hat sich Judith dieses ausgesucht: hinter den Gittern im Eingangsbereich ihrer Einsatzzentrale).

 


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African Ladies: Naomi, Watchlady

Naomi ist opening the gate, when a car wants to pass to or from the gated community. Her two male colleagues check the drivers, note the license plates. Smile. Greet. So does she. Sometimes she walks the streets of the community to check, if all is well. Or if strange things are happening?  The security company provides her with a raincoat and a sweater. And, most important: a whistle, that she wears on a red string! When she blows the whistle, all her colleagues at the different gates will be alarmed and call the company to act immediately. 

At 6am she has to start her job, at 6pm she can leave. To reach the gate she has to walk for about an hour from her home. Is she not afraid, to walk alone in the dark? There are so many people walking at this time of the day…she shrugs her shoulders. Two days per month she is off.  Who cares for her 7-year old son during this time? He is staying with Naomi’s family at Babadogo, 6 hours away. But how often is she able to see him? If things go well, Naomi says, she can be with him every 8 months. Then she is able to get 4 days off. But the boy is able to go to school, and this is very good!

Being asked about her motto, Naomi answers: „work hard“. But what about the ‚beautiful things‘ in life? Will she not forget about them, if there is only hard work? There is no other solution right now, Naomi says, and the job is o.k., she smiles.

 

Naomi öffnet das Tor für die ein- und ausfahrenden Autos der eingezäunten Wohnanlage. Ihre beiden männlichen Kollegen kontrollieren die Fahrer, notieren die Daten der Nummernschilder. Sie lächeln freundlich und grüssen, so auch Naomi. Immer wieder geht sie auch die Strassen des Wohngebiets ab,  um zu kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Die Sicherheitsfirma stellt ihr einen Regenmantel und einen Pullover zur Verfügung. Und, besonders wichtig: eine Trillerpfeife, die sie am roten Band trägt. Wenn sie Alarm gibt, wissen die Kollegen an den verschiedenen Toren, dass die Zentrale benachrichtigt werden und schnell etwas geschehen muss.

Um 6 Uhr morgens beginnt Naomi mit der Arbeit, um 6 Uhr abends kann sie wieder die knappe Stunde Fussweg nachhause antreten. Hat sie keine Angst, so lange im Dunkeln allein unterwegs zu sein? Sie zuckt die Schultern – so viele Menschen sind um diese Zeit zu Fuss unterwegs…Zwei Tage frei hat sie im Monat. Wer schaut in dieser Zeit nach ihrem 7-jährigen Sohn? Zum Glück kann er bei Naomi’s Familie leben und dort in Babadogo auch zur Schule gehen, da ist schonmal ein grosser Gewinn. Aber wie oft kann sie mit ihm zusammen sein, frage ich? Wenn alles gut läuft, hat Naomi alle 8 Monate 4 Tage frei. Dann kann sie die 6 Stunden-Reise zu ihrer Familie antreten.

Nach ihrem Motto gefragt, meint Naomi: „arbeite hart“. Und die „schönen Dinge“ des Lebens? Werden die nicht in Vergessenheit geraten, wenn es immer nur harte Arbeit gibt, frage ich vorsichtig? Im Moment gibt es keine andere Lösung, sagt Naomi und lächelt. Und die Arbeitsstelle sei in Ordnung…