sabinewaldmannbrun

Farbe. Linie. Sehen.


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Nachtaktivitäten

Nacht liegt über dem großen Garten des Serabu Hospital-Komplexes; die leuchtende Scheibe des Mondes wirft fahles Licht auf den steinigen Pfad, der durch hohes Gras vom Doctors‘ House zu den Gebäuden der Stationen und der Funktionsgebäude führt. In der Ferne jault ein Hund, die Grillen zirpen vielstimmig. Die Ärztin, die gerade einen Anruf von der Nachtschwester erhalten hat, dass ein Notfallpatient eingetroffen sei, macht sich mit der Taschenlampe auf den Weg. Es ist kurz nach Mitternacht. Im Gras blinken zahlreiche Glühwürmchen. Die Ärztin überlegt, ob sie alles dabei hat, was gebraucht werden könnte. Ein Stethoskop zählt zur Grundausrüstung, und da es kein funktionierendes Röntgengerät gibt, ist die klinische Diagnostik essentiell. Das Fachbuch mit den BehandlungsLleitlinien hier typischer Erkrankungen kann über Wissenslücken in der Therapie hinweghelfen, die Medikamentenliste bewahrt vor der Verschreibung von Präparaten, die man zwar wie zuhause gern verordnen würde, die es aber hier nicht gibt. Die Wasserflasche schließlich erweist sich als große Freude, wenn man doch notfallbedingt zum Operieren im OP landet und dort schwitzend ein paar Stunden verbracht hat, immerhin ist es auch bei Nacht mollige 31 Grad warm.

Der neu angekommenen Patient, ein junger Mann von etwa 30 Jahren, krümmt sich vor Magenschmerzen auf der bereits mit einem Batiktuch bezogenen Matratze. Er hat ähnliche Beschwerden zwar schon öfters gehabt, war aber bisher nicht damit in ärztlicher Behandlung, nun sei schwarzer Stuhlgang dazu gekommen. In der körperlichen Untersuchung und im Ultraschall finden sich keine Auffälligkeiten außer den Schmerzen im mittleren Oberbauch. Untersuchungsergebnisse und Behandlungsplan werden dem Patient möglichst verständlich erläutert. In einem Gedankenwinkel fragt sich die Ärztin, was sich wohl der Kranke und seine Angehörigen über die Geschichte mit dem Bakterium denken ( sie hat für den weiteren Verlauf aufgrund der geschilderten Beschwerden auch jene Medikamente, die gegen eine Besiedlung mit Helicobacter pylori wirken, verordnet). Die hier häufigen Vorstellungen über das Zustandekommen von Krankheiten, über das Wirken der Ahnen oder die Verhexerei durch Feinde liegen dicht unter der von Schulbildung und modernem Leben gestalteten Oberfläche.

Schließlich sind alle Fragen geklärt, die Ehefrau richtet für sich und das Baby ein Lager auf einer Strohmatte auf dem harten Boden. Die Gegenstände, die sie zur Versorgung ihres Mannes, zum Kochen und Waschen benötigt, verstaut sie unter dem Bett. Die Gestaltung des täglichen Lebens in diesem Teil der Erde ist mühsam.

Die Ärztin schaut noch einmal nach den anderen Sorgenkindern und frische Operierten auf der Station, aber ansonsten ist alles in Ordnung und Ruhe. Jetzt ist auch der Bereitschaftsdienst aus dem Labor eingetroffen, die Blutwerte sind für afrikanische Verhältnisse sehr gut. Die Nachtschwester wird sich melden, wenn sich der Zustand verschlechtert.

Später, in ihrem eigenen Bett unter dem Moskitonetz angekommen, staunt die Ärztin über ein Blinken neben dem Fenster: ein Glühwürmchen hat sich in eine Gardinenfalte verirrt. Bis auf das Zirpen der Grillen ist es nun still. Auch die Hunde haben sich schlafen gelegt.

 

(Serabu Januar 2014, weitere Berichte unter Blog.German-Doctors.de)

 

 

Auf dem Weg vom Hospitaleingang zu den KlinikgebäudenBild