sabinewaldmannbrun

Farbe. Linie. Sehen.


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Letzte Runde! – Mwanza VI

Meine letzte, quasi „Abschiedsvorlesung“ über Wunden hatte ich zwar schon in Stuttgart ausgefeilt, aber dann doch noch morgens um 4 Uhr am Tag der „Aufführung“ um all das ergänzt, was in den letzten Wochen als optimierbar aufgefallen war. Diesmal ist die Mitarbeit doch ein bisschen besser. Vor allem eine der Nurses glänzt mit Mut und Kompetenz – und lauter Stimme! Und auch die jungen Docs haben sich tapfer geschlagen, bis zur letzten Minute an meinem letzten Tag ungefragt in der Notaufnahme übersetzt, was die Patienten erzählten und das weitere Vorgehen im Gespräch diskutieren wollen. 

Wann ich denn wiederkomme, wurde ich in meiner Verabschiedungsrunde gefragt. 

Wenn ich fließend Kisuahili spreche, habe ich dann gesagt. Denn in Tanzania können zwar viele englisch, haben sogar ihre Ausbildung in dieser Sprache absolviert – aber sie sprechen es nicht gern. Selbst dann nicht, wenn man unermüdlich darauf hinweist, dass man nicht genügend versteht, um am Gespräch teil zu nehmen. Und jeder Ausländer, der einigermaßen Kisuahili spricht, kommt gerne den tanzanischen Kollegen entgegen und so fand ich mich unversehens zwischen Kisuahili spechenden Holländern, Deutschen und Tanzaniern wieder.

Nur ein paar sehr wenige Einzelne hatten sich gemerkt, dass ich vielleicht hier und da ein Wort verstehe, aber nicht den Zusammenhang, und deshalb konsequent englisch gesprochen. Bei Nachfragen wurde auch willig übersetzt, allerdings dann eben später, nach der Veranstaltung.

Trotzdem: auch, wenn man nicht alle Worte versteht, läßt sich eine Stimmung erspüren, ob es um Schwieriges oder Frohes geht, Anspannungen, Freude, Müdigkeit, hier und da leuchtet ein Wort auf, das man kennt, und so etwa kann man sich dann denken, worum es geht. Vielleicht. 

Und netterweise wurde ich, auch nach langen Erörterungen in einer Sprache, die ich kaum verstehe, immer wieder nach meiner Meinung gefragt. Gerade in der Morgenrunde, der Besprechung von wichtigen Themen, die Patienten und Klinik betreffend, oder bei der Visite kam dann immer wieder die Frage, Dr. Sabine, möchtest Du auch noch einen Beitrag dazu geben? 

Ich fand das nett und habe gesagt: ich habe zwar fast nichts verstanden, aber ich vermute, es ging um dies oder das, und dazu hätte ich tatsächlich noch eine Idee… Das wurde stets freundlich aufgenommen und dafür gedankt und ich habe mich gefragt, wie soll ich das einordnen? 

Fühlt man sich in seinem Kisuahili so wohl, warm und geborgen, dass man nicht darauf verzichten kann? Oder ist es eigentlich ein Entgegenkommen für all diejenigen, die in englisch nicht so kapitelfest sind, aber die Informationen für die Arbeit brauchen, und jene sind vielleicht mehrere? Vor allem: wie kann man denken, ich könne dem Gespräch folgen und dann einen Beitrag leisten, wenn ich doch immer wieder sage, bitte, ich verstehe euch nicht? Na, wie auch immer. 

Ich komme wieder, wenn ich fließend Kisuahili spreche.

Das ist ja schön, meinte darauf hin eine, dass Du jetzt Kisuahili lernst! – Ach?

Und: das große Gruppenbild war mein Wunsch zum Abschied: das freundliche Gesicht Tanzanias auf einem Bild!

Und normalerweise werden medizinische Fortbildungen nicht vom Altar aus gehalten, aber in diesem Fall war halt noch nicht vom Vortag aufgeräumt. Jemand meinte: Jesus räumen wir jetzt nicht weg – es ist ja immer gut, ihn dabei zu haben! Die Bibel haben wir dann auch liegen lassen…


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Kommunikation in schwierigen Zeiten

Auf der Suche nach einer guten Kommunikation – wie würde man sich’s wünschen? Die Emotionen geballt abzubekommen? Als naiv beschimpft zu werden? Den/die andere/n in dem, was er/sie sagt, verstehen? Sich angegriffen fühlen? Erzählen, was das, was gehört wird, in einem auslöst? Auf Angriff verzichten? Die alte Geschichte mit den „Ich-Botschaften“? Pokerface behalten? Den anderen im Nichts stehen lassen? Kommunikation ist eine Kunst…Themen gibt es gerade reichlich.


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Roadmovie 7 – Unterwegs im ärztlichen Notdienst…

Wir fahren durch schwäbisches Dorf- und Feldland, die Sonne knallt von einem wunderblauen Sommerhimmel. 34,5 Grad. Mein heutiger Fahrer ist ein Weltbürger mit großer Gelassenheit und Ruhe. Die Eltern aus zwei verschiedenen Ländern stammend, haben den Sohn in einem dritten Land zur Welt gebracht und sind dann in ein viertes geflüchtet. Hier hat der junge Mann sich mehrere Berufe erarbeitet, die ihm sowohl die Möglichkeit erschließen, beruflich zu reisen als auch einen weiteren Beruf zu haben, in dem man immer eine Anstellung findet.

Die Patientin, die wir gerade aufgesucht haben, plant ihren Untergang. Eine sehr wohlhabende Dame, mit weitläufiger Villa, aber jetzt völlig verwahrlost, da sie es zuweilen weder rechtzeitig zur Toilette schafft, noch die im Stürzen zugezogenen Wunden zu verbinden. Nichtsdestotrotz ist sie wach und reflektiert und hat ihre eigenen Ansichten und scheinbar festgemauerten Vorstellungen. In der vorherigen Woche hat sie sich bereits einmal selbst aus der Klinik entlassen, bevor man sie angemessen hätte behandeln können und heute den Rettungsdienst unverrichteter Dinge wieder weggeschickt. Dass sie ihren Tod riskiert, hatte die Sanitäterin ihr nachdrücklich gesagt, und dass sie dies bitte unterschreiben solle, dass sie es auch verstanden hat. Daß man den Rettungsdienst nicht belangen könne, wenn „etwas“ passiert…

Ich setzte mich auf ein sauberes Sofaeckchen. So viel Zeit muß sein. Versuche zu verstehen. Wir sprechen ein Weilchen miteinander. Ob sie denn lebensmüde sei, frage ich nach einer Weile? Ein gewisser Überdruss, ja. Ihr Selbstmord stehe irgendwann dann an. Aber nicht jetzt am Wochenende. Sie wisse doch, sage ich, dass ich sie in diesem Fall eigentlich auch gegen ihren Willen einweisen könnte? Dann werde sie kein Wort mehr sagen und ihren Rechtsanwalt informieren, läßt mich die Lady wissen. Außerdem will sie am Abend in Ruhe das Fußballspiel ansehen. Nein, Coronatest will sie keinen. Und nein, die Hand frisch verbinden darf ich auch nicht. Ich rufe den Kollegen in der Psychiatrieambulanz an. Eigentlich möchte ich mich mit ihm beraten, aber er ist gestresst und sehr kurz angebunden. Die Patientin soll zuerst in die Innere.

Die Patientin ist nicht willens, sich auf eine weitere Runde Klinikambulanz einzulassen. Sie geht auf keinen Fall. Nach einer Stunde mit zahllosen ausgeworfenen Ködern, die in Richtung Leben zielen, beschließe ich schweren Herzens, ihr ihren Willen zu lassen. Auch mir muß sie das unterschreiben. Da hast du dir jetzt aber viel Zeit genommen, sagt mein Fahrer staunend. Die Nachbarn, die draußen schon warten, sind weniger erfreut. Was, immer noch nicht? Es muß doch was geschehen. So geht das doch nicht weiter…

Vielleicht wird es ja gut gehen. Vielleicht auch nicht.

Nachdem wir eine Familie, vier Personen mit Covid 19, abgestrichen und untersucht haben, geht es weiter zu einem Patient, der sich schlecht fühlt. Und so sieht er auch aus, ein bißchen wie der Totenkopfring an seinem Finger, völlig abgemagert und grau, ja, die ganze Wohnung ist grau und dunkel. Offensichtlich ein Heavy Metal Fan. Zwar ergeben die Untersuchungen, die uns möglich sind, keine wesentlichen Katastrophen. Ob sich die 38 Jahre mit täglich 40 Zigaretten jetzt rächen? Er ist einverstanden, dass wir ihn einweisen.

Der nächste Patient ist guter Dinge, wenn auch genervt. Er wiegt 130kg und hört seit 2 Wochen Stimmen, die ihn abwerten und ihm sagen, er soll sich umbringen. Die Familie ist präsent, die Sonne scheint ins Zimmer, die beiden Töchter sitzen auf dem extrabreiten Toilettenstuhl wie auf einem Gartenbänkchen, um in seiner Nähe zu sein. Der Psychiater, den ich nun zum zweiten Mal heute aus seinem Trubel heraushole, verlangt zuerst internistische Abklärung, aber dann, na dann könne der Patient kommen. Die Ambulanzschwester in der Inneren, wo ich den Patient daraufhin anmelde, ist ebenfalls gestresst. Der Patient will sich also umbringen, sagt sie, dann solle er doch in die Psychiatrie. Das stimmt so nicht, der Patient möchte nur nicht dauernd von Stimmen erzählt bekommen, er sei eine Null und solle sich aufhängen. Das ist doch dasselbe, sagt sie. Ich überlasse den Kollegen, untereinander auszuhandeln, wer den Patient zuerst sieht. Wir schicken ihn in die Innere.

Der Patient allerdings ist in Sorge, wie es bei seinem Gewicht mit dem Transport gehen wird. Mein Fahrer beruhigt den Mann. Erst kürzlich habe man mit Kran einen eben so schweren Patient aus dem Dachfenster gehievt, alles sei gut gegangen. Ich stelle mir vor, unter den Augen der wachsamen Nachbarschaft im Schlafanzug mit Kran aus dem Dachfenster geholt zu werden und dann mit flatternder Schlafanzughose zum Rettungswagen hinunter zu schweben. Dem Patient allerdings gefällt die Aussicht auf kompetente Transporteure. Gut so. Ich fände das nicht so beruhigend, aber nun…

Es sind erstaunlich wenig Patienten mit Covid 19 heute. Wunderbar. Allerdings, sagt mein Fahrer, letzte Woche sei sein Cousin daran gestorben. 30 Jahre alt. Keine Vorerkrankungen.

Wir fahren durch die Altstadt zur nächsten Patientin, gerade ist das Fußballspiel zuende. Public Viewing ohne Abstand, feiernde Fans ohne Maske. Sollen wir wetten, wann die Inzidenzen wieder steigen? Eigentlich sind wir uns einig. Ende Juli spätestens? Na, mal sehn…


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Besuch! – A Visit!

Seit langem wagt sich wieder ein Gast für vier Tage in unser Gästezimmer – Ruth aus der Schweiz reist (nicht nur) für eine bunte Malzeit an! Menschen malen steht auf dem Programm, passend zu ihrer Arbeit, in der Interaktionen, Miteinander und Kommunikation eine wichtige Rolle einnehmen. Lange Streifen entstehen, und schließlich farblich verbundene Gruppen. Ich lasse mich inspirieren…

Finally a guest is courageous again to come for a visit: four colorful days of painting together inside and plainair. Her work at home includes mainly interaction and communication. I am inspired, too…


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Vielstimmig?

Ich rufe bei R. an, länger hat er nicht von sich hören lassen. Ich warte. Der Anrufbeantworter grüsst mich mit seinem Jingle. Ich versuche es auf dem Handy. Die Mailbox klickt an. Ich versuche es nochmal auf Festnetz, ich weiss, manchmal ist er sehr beschäftigt, warte….ja, nach einer ganzen Weile meldet er sich. Ist fröhlich, aufgekratzt – und in der Tat sehr beschäftigt. Er „richtet etwas ein“, meint er.

Ich bin neugierig und frage nach, was da am Entstehen ist.  Begeistert berichtet er mir von einer neuen Sprachfunktion. Ach, sage ich, du hast doch schon Alexa und Siri zu deinen Diensten? Und Google, fügt er hinzu. Aber jetzt wird noch Magenta eingerichtet. Vier Sprachfunktionen, denen man Befehle erteilen kann? Alles Damenstimmen? Aber klar, bestätigt er. Aber was ist denn an der neuen Variante, was die „Alten“ nicht können? Er ruft einen Befehl in den Raum: Alexa, spiel Abba! Eigentlich wollte ich mich ja mit R. unterhalten. Alexa, zwei Stufen lauter! höre ich ihn rufen. Und dann wird’s laut.

Muss das sein?  frage ich noch ein bisschen lauter, um die Musik zu übertönen. Alexa, Musik aus! ruft er, und es ist wieder ruhig. Ich frage erneut, was denn die neue Funktion mehr kann als die drei bereits vorhandenen. Alexa, wie klingt eine Lerche? ruft er. Sofort ertönet lautes Gezwitscher. Hallo, rufe ich, hier ist ein lebendiger Mensch, der mit dir sprechen will!

Ist das nicht toll, fragt er begeistert, sogar Stereo! Sowohl Windows als auch Magenta haben gleichzeitig Gezwitscher produziert. Danke! ruft er Alexa zu. Warum bedankst du dich bei einer Maschine? frage ich. Man solle doch die Regeln der Höflichkeit beibehalten, erklärt er mir…


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Recycling – Hidden Animals II

… und nochmal Recycling von allerlei Papier (und ein bisschen was zum Merken aus den Arabisch-Lektionen).

Recycling again (and taking notes from the arabic-lesson).


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Arabisch lernen – To study arabic

Manche halten ihre Synapsen mit Sudoku fit – eine Sprache hingegen entfaltet sich und eröffnet neue Räume für Entdeckungen und Begegnungen. Als ich vor einem Jahr begonnen habe, Arabisch in Schrift und Wort zu lernen, war der Anlass eine Begegnung im ärztlichen Notdienst. Bevor ein Verhafteter über Nacht in eine Zelle gesperrt werden darf, muss ein Arzt ihn ansehen, ob es gesundheitlich begründete Bedenken gibt. So fand ich mich nachts um halb 1 in einer kahlen Zelle im polizeilichen Keller wieder, in der schreiend ein an Händen und Füssen gefesselter Mann sass, den keiner verstand und der keinen verstand. Nur, dass er vermutlich arabisch spreche, wusste man und dass es einen Streit in der Öffentlichkeit gegeben hatte, bei dem niemand verletzt worden war.

Zum Glück waren meine syrischen Bekannten noch wach, die zu dieser Zeit noch bei Tag und Nacht versuchten,  einen Botschaftstermin für ihre noch im Kriegsgebiet wartenden Kinder und Geschwister zu ergattern. Die Übersetzung per Telefon entspannte die Lage sofort, die Fesseln wurden abgenommen, der Patient konnte gehen, nachdem klar war, dass hier kein Grund für eine Inhaftierung vorlag.

Sprache ist eben eine Brücke. Und wer Sprache lernen will, muss darin baden, deshalb male ich hin und wieder in meine Bilder Sätze hinein, dann merken sie sich besser. Das vorliegende Klappbüchlein mit Tieren ist da eine Möglichkeit…

(…auf dem obigen Bild sagt der eine dem anderen: „In unserem Land sind die Leute gut und freundlich“).

Some of us try to keep in brainshape by practicing Sudoku, but studying a language unfolds and gives new  opportunities to learn to know people we would not have understood otherwise. 

When I started to study Arabic about a year ago, it was because in my medical work I had to see a patient at a police station at night who did not understand anybody and who was not understood by anybody. The officer could only tell me there had been a dispute in a public place, where noone was hurt and that the patient might talk Arabic. 

When I called my Syrian friends, who at this time at day and night tried to get a date with the embassy for their children and other relatives, they could translate and calm the situation. The patient soon was free again and could leave, because there was no need to keep him any longer. Then I decided to start with this old and calligraphic language of rich tradition. 

Language can build bridges and to study one, you have to bathe in the language. Therefore I sometimes combine sketches and words, have double fun and can remember better…

(on the sketch you can read: “ in our country people are good and friendly“)