sabinewaldmannbrun

Farbe. Linie. Sehen.


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Roadmovie 7 – Unterwegs im ärztlichen Notdienst…

Wir fahren durch schwäbisches Dorf- und Feldland, die Sonne knallt von einem wunderblauen Sommerhimmel. 34,5 Grad. Mein heutiger Fahrer ist ein Weltbürger mit großer Gelassenheit und Ruhe. Die Eltern aus zwei verschiedenen Ländern stammend, haben den Sohn in einem dritten Land zur Welt gebracht und sind dann in ein viertes geflüchtet. Hier hat der junge Mann sich mehrere Berufe erarbeitet, die ihm sowohl die Möglichkeit erschließen, beruflich zu reisen als auch einen weiteren Beruf zu haben, in dem man immer eine Anstellung findet.

Die Patientin, die wir gerade aufgesucht haben, plant ihren Untergang. Eine sehr wohlhabende Dame, mit weitläufiger Villa, aber jetzt völlig verwahrlost, da sie es zuweilen weder rechtzeitig zur Toilette schafft, noch die im Stürzen zugezogenen Wunden zu verbinden. Nichtsdestotrotz ist sie wach und reflektiert und hat ihre eigenen Ansichten und scheinbar festgemauerten Vorstellungen. In der vorherigen Woche hat sie sich bereits einmal selbst aus der Klinik entlassen, bevor man sie angemessen hätte behandeln können und heute den Rettungsdienst unverrichteter Dinge wieder weggeschickt. Dass sie ihren Tod riskiert, hatte die Sanitäterin ihr nachdrücklich gesagt, und dass sie dies bitte unterschreiben solle, dass sie es auch verstanden hat. Daß man den Rettungsdienst nicht belangen könne, wenn „etwas“ passiert…

Ich setzte mich auf ein sauberes Sofaeckchen. So viel Zeit muß sein. Versuche zu verstehen. Wir sprechen ein Weilchen miteinander. Ob sie denn lebensmüde sei, frage ich nach einer Weile? Ein gewisser Überdruss, ja. Ihr Selbstmord stehe irgendwann dann an. Aber nicht jetzt am Wochenende. Sie wisse doch, sage ich, dass ich sie in diesem Fall eigentlich auch gegen ihren Willen einweisen könnte? Dann werde sie kein Wort mehr sagen und ihren Rechtsanwalt informieren, läßt mich die Lady wissen. Außerdem will sie am Abend in Ruhe das Fußballspiel ansehen. Nein, Coronatest will sie keinen. Und nein, die Hand frisch verbinden darf ich auch nicht. Ich rufe den Kollegen in der Psychiatrieambulanz an. Eigentlich möchte ich mich mit ihm beraten, aber er ist gestresst und sehr kurz angebunden. Die Patientin soll zuerst in die Innere.

Die Patientin ist nicht willens, sich auf eine weitere Runde Klinikambulanz einzulassen. Sie geht auf keinen Fall. Nach einer Stunde mit zahllosen ausgeworfenen Ködern, die in Richtung Leben zielen, beschließe ich schweren Herzens, ihr ihren Willen zu lassen. Auch mir muß sie das unterschreiben. Da hast du dir jetzt aber viel Zeit genommen, sagt mein Fahrer staunend. Die Nachbarn, die draußen schon warten, sind weniger erfreut. Was, immer noch nicht? Es muß doch was geschehen. So geht das doch nicht weiter…

Vielleicht wird es ja gut gehen. Vielleicht auch nicht.

Nachdem wir eine Familie, vier Personen mit Covid 19, abgestrichen und untersucht haben, geht es weiter zu einem Patient, der sich schlecht fühlt. Und so sieht er auch aus, ein bißchen wie der Totenkopfring an seinem Finger, völlig abgemagert und grau, ja, die ganze Wohnung ist grau und dunkel. Offensichtlich ein Heavy Metal Fan. Zwar ergeben die Untersuchungen, die uns möglich sind, keine wesentlichen Katastrophen. Ob sich die 38 Jahre mit täglich 40 Zigaretten jetzt rächen? Er ist einverstanden, dass wir ihn einweisen.

Der nächste Patient ist guter Dinge, wenn auch genervt. Er wiegt 130kg und hört seit 2 Wochen Stimmen, die ihn abwerten und ihm sagen, er soll sich umbringen. Die Familie ist präsent, die Sonne scheint ins Zimmer, die beiden Töchter sitzen auf dem extrabreiten Toilettenstuhl wie auf einem Gartenbänkchen, um in seiner Nähe zu sein. Der Psychiater, den ich nun zum zweiten Mal heute aus seinem Trubel heraushole, verlangt zuerst internistische Abklärung, aber dann, na dann könne der Patient kommen. Die Ambulanzschwester in der Inneren, wo ich den Patient daraufhin anmelde, ist ebenfalls gestresst. Der Patient will sich also umbringen, sagt sie, dann solle er doch in die Psychiatrie. Das stimmt so nicht, der Patient möchte nur nicht dauernd von Stimmen erzählt bekommen, er sei eine Null und solle sich aufhängen. Das ist doch dasselbe, sagt sie. Ich überlasse den Kollegen, untereinander auszuhandeln, wer den Patient zuerst sieht. Wir schicken ihn in die Innere.

Der Patient allerdings ist in Sorge, wie es bei seinem Gewicht mit dem Transport gehen wird. Mein Fahrer beruhigt den Mann. Erst kürzlich habe man mit Kran einen eben so schweren Patient aus dem Dachfenster gehievt, alles sei gut gegangen. Ich stelle mir vor, unter den Augen der wachsamen Nachbarschaft im Schlafanzug mit Kran aus dem Dachfenster geholt zu werden und dann mit flatternder Schlafanzughose zum Rettungswagen hinunter zu schweben. Dem Patient allerdings gefällt die Aussicht auf kompetente Transporteure. Gut so. Ich fände das nicht so beruhigend, aber nun…

Es sind erstaunlich wenig Patienten mit Covid 19 heute. Wunderbar. Allerdings, sagt mein Fahrer, letzte Woche sei sein Cousin daran gestorben. 30 Jahre alt. Keine Vorerkrankungen.

Wir fahren durch die Altstadt zur nächsten Patientin, gerade ist das Fußballspiel zuende. Public Viewing ohne Abstand, feiernde Fans ohne Maske. Sollen wir wetten, wann die Inzidenzen wieder steigen? Eigentlich sind wir uns einig. Ende Juli spätestens? Na, mal sehn…


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Geburtstag?

Rechtzeitig zur Buchmesse ist im Präsenz-Verlag dieser prachtvolle Winzling erschienen:

Bunt sollst du leben!  Ein Geburtstagsleporello mit meinen Bildern und humorvoll-tiefgründigen Gedichten (Gedankenblüten!) von Hugo Ganslmayer.

Ein Pröbchen:

Ist doch blöd, dass Blumen, die / man pflückt, so rasch veralten

Drum hab ich deine dir gemalt / damit sie länger halten

Die sind auch noch in Jahren schön, wenn du sie wiederfindest

Ich hoffe, dass du die Idee / so toll wie ich empfindest

Du darfst den Strauß selbst in den Schrank, / nur nie in Wasser stellen,

weil die gemalten Blumen sich / halt leider davon wellen

 

….ausgeklappt 98×13 cm, ISBN 9783945 879740, 4,95 Euro

 


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Geburtstag?

Das Ei, an dem mein „Hofdichter“ und ich gerade brüten, ist eines für Geburtstage. In Leporelloform, mit guten Gedanken und Wünschen.

Vielleicht hat ja heute zufällig jemand Geburtstag? Daher erschient hier schonmal eine „Kostprobe“ (…und Lob. Und Tagesprojekt. Und Aufgabe. Ja, garnicht so einfach: bin ich dankbar für mich?):

Ein Tag ist dein Geburtstag / jedoch, was ist, was war,

was wird, das feiert weiter / mit dir das ganze Jahr.

Der Frühling schenkt dir Blumen / da reicht die Vase nicht

Der Sommer macht es hell dir / mit bestem Urlaubslicht

Der Herbst bringt süße Früchte / den Kuchen zu verziern,

Der Winter lässt die Hektik / ein Weilchen mal gefriern

Ein Tag ist dein Geburtstag / doch reicht kein Tag allein,

es, daß du lebst, zu feiern / dankbar für dich zu sein

(Hugo Ganslmayer, 2019)


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Ostern – Easter

Leben und Freude!

Christ is risen from the dead!

(aus: Susanne Jasch, Kristina Schnürle: Die Kinder-Festtags-Bibel. Illustrationen: S. W-B, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2014)


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Sketchbook Nairobi – Contrasts

Eine kleine Seh-Denk-Aufgabe: in welchem Boot wärest Du gern unterwegs und warum?

A little imagination-test: which boat would you prefer to join and why?


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Gerade erschienen

Frisch gedruckt beim Verlag am Eschbach:

Das Geschenk des Monsieur Jacques  –  Geschichten von der Freude am Leben

Text: Rainer Haak, viele bunte Bilder: von mir

7,99 Euro, 42 Seiten, ein Buch für Erwachsene gegen den Trübsinn…

ISBN 978-3-86917-600-0