Meine letzte, quasi „Abschiedsvorlesung“ über Wunden hatte ich zwar schon in Stuttgart ausgefeilt, aber dann doch noch morgens um 4 Uhr am Tag der „Aufführung“ um all das ergänzt, was in den letzten Wochen als optimierbar aufgefallen war. Diesmal ist die Mitarbeit doch ein bisschen besser. Vor allem eine der Nurses glänzt mit Mut und Kompetenz – und lauter Stimme! Und auch die jungen Docs haben sich tapfer geschlagen, bis zur letzten Minute an meinem letzten Tag ungefragt in der Notaufnahme übersetzt, was die Patienten erzählten und das weitere Vorgehen im Gespräch diskutieren wollen.
Wann ich denn wiederkomme, wurde ich in meiner Verabschiedungsrunde gefragt.
Wenn ich fließend Kisuahili spreche, habe ich dann gesagt. Denn in Tanzania können zwar viele englisch, haben sogar ihre Ausbildung in dieser Sprache absolviert – aber sie sprechen es nicht gern. Selbst dann nicht, wenn man unermüdlich darauf hinweist, dass man nicht genügend versteht, um am Gespräch teil zu nehmen. Und jeder Ausländer, der einigermaßen Kisuahili spricht, kommt gerne den tanzanischen Kollegen entgegen und so fand ich mich unversehens zwischen Kisuahili spechenden Holländern, Deutschen und Tanzaniern wieder.
Nur ein paar sehr wenige Einzelne hatten sich gemerkt, dass ich vielleicht hier und da ein Wort verstehe, aber nicht den Zusammenhang, und deshalb konsequent englisch gesprochen. Bei Nachfragen wurde auch willig übersetzt, allerdings dann eben später, nach der Veranstaltung.
Trotzdem: auch, wenn man nicht alle Worte versteht, läßt sich eine Stimmung erspüren, ob es um Schwieriges oder Frohes geht, Anspannungen, Freude, Müdigkeit, hier und da leuchtet ein Wort auf, das man kennt, und so etwa kann man sich dann denken, worum es geht. Vielleicht.
Und netterweise wurde ich, auch nach langen Erörterungen in einer Sprache, die ich kaum verstehe, immer wieder nach meiner Meinung gefragt. Gerade in der Morgenrunde, der Besprechung von wichtigen Themen, die Patienten und Klinik betreffend, oder bei der Visite kam dann immer wieder die Frage, Dr. Sabine, möchtest Du auch noch einen Beitrag dazu geben?
Ich fand das nett und habe gesagt: ich habe zwar fast nichts verstanden, aber ich vermute, es ging um dies oder das, und dazu hätte ich tatsächlich noch eine Idee… Das wurde stets freundlich aufgenommen und dafür gedankt und ich habe mich gefragt, wie soll ich das einordnen?
Fühlt man sich in seinem Kisuahili so wohl, warm und geborgen, dass man nicht darauf verzichten kann? Oder ist es eigentlich ein Entgegenkommen für all diejenigen, die in englisch nicht so kapitelfest sind, aber die Informationen für die Arbeit brauchen, und jene sind vielleicht mehrere? Vor allem: wie kann man denken, ich könne dem Gespräch folgen und dann einen Beitrag leisten, wenn ich doch immer wieder sage, bitte, ich verstehe euch nicht? Na, wie auch immer.
Ich komme wieder, wenn ich fließend Kisuahili spreche.
Das ist ja schön, meinte darauf hin eine, dass Du jetzt Kisuahili lernst! – Ach?
Und: das große Gruppenbild war mein Wunsch zum Abschied: das freundliche Gesicht Tanzanias auf einem Bild!
Und normalerweise werden medizinische Fortbildungen nicht vom Altar aus gehalten, aber in diesem Fall war halt noch nicht vom Vortag aufgeräumt. Jemand meinte: Jesus räumen wir jetzt nicht weg – es ist ja immer gut, ihn dabei zu haben! Die Bibel haben wir dann auch liegen lassen…