sabinewaldmannbrun

Farbe. Linie. Sehen.


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Verschenken…

Meine Sammlung von Kunstpostkarten aus vielen Jahren brauche ich eigentlich nicht wirklich. Sie ist schön anzuschauen, aber nicht lebensnotwendig. Ich setzte sie in den Verschenkmarkt (in diesem Fall: http://www.verschenkmarkt-stuttgart.de , eine online-Plattform, die es in Varianten in vielen kleineren und größeren Städten auch gibt, einfach zu bedienen). Es melden sich über email (wobei meine emailadresse, bis ich zurückschreibe, anonym bleibt, es ginge auch per Telefon, wollte ich aber nicht) 5 Menschen, die Interesse hätten. Ich entscheide mich für den ersten (nicht immer, manchmal schreibt auch jemand ausführlicher, warum der Gegenstand gebraucht wird, und ich freue mich über so viel Engagement) und wir machen per mail einen Termin für den nächsten Tag aus.

Dienstag nachmittag, pünktlich um 15 Uhr, steht ein junger Mann vor der Tür, eine Tafel weiße Schokolade in der Hand. Ha, den kenne ich doch schon von vor 3 Jahren, stelle ich fest! Er grinst und nimmt im Tausch für die Schokolade die Postkarten entgegen. Ja, vor 2 Jahren hatte ich ihm doch mal ein übriges, aber noch rundum funktionsfähiges Solarladegerät geschenkt (auch über den Verschenkmarkt, damals hatte er vorher gefragt, welche Sorte Schokolade ich am liebsten mag). Beschwingt geht jeder seiner Wege – einer mit Spaß an einem Stapel Kunstpostkarten, eine, die sich über die Schokolade, (das gute Gedächtnis des Abholers) und die sinnvolle Weiterverwendung freut.

Doch, man muß wirklich sagen: Schenken macht großen Spaß! Wobei schenken nicht gleichbedeutend ist mit entsorgen, finde zumindest ich. Völlig verramschte, gammelige Sachen würde ich nicht anbieten wollen. Was habe ich da über die Jahre schon alles an Mann und Frau gebracht! Meine Weihnachtspyramide, langjährige Freude von Familienmiteinander in der Adventszeit, steht verwaist im Keller. Aber nicht lange – eine Frau meldet sich auf die Anzeige und schreibt, schon immer habe sie sich gerade so eine gewünscht (man kann auf der Plattform ein bis fünf Fotos hochladen)! Sie kommt und ist so glücklich über den Fund, dass sie mir gleich eine große Dose mit selbstgebackenen Plätzchen, bunt handverziert, und eine Flasche Eierlikör in die Hand drückt! Oder die vielen Kisten aus einer Haushaltsauflösung vor 3 Jahren, mit Haushaltsgegenständen aller Art – nachdem viele einzelne Interessenten jeweils froh Kochtöpfe, Besteck, Geschirr, Gemüseraspel, dies und das und jenes abgeholt hatten, war ich irgendwann dann doch einmal etwas ermüdet von dem Abhol-Betrieb und hatte dem letzten Abholer am Tag, einem jungen Pakistani, angeboten, mal selbst in die letzten 4 Kisten im Keller zu schauen, was die junge Familie, gerade mit neu angekommenem Baby umgezogen, brauchen könnte. Da war tatsächlich einiges: zwei Tischdecken, ein Satz Gläser, eine warme Decke, noch ein kleines Kochtöpfchen, Topflappen und so weiter. Oder der Satz kleiner, fröhlich bunter Bilderrahmen – ein älterer Herr, Maler in Ausstellungsvorbereitungen, kommt mit Sackkarre zum Abholen und nimmt gleich noch ein paar Ausstellungstips mit. Oder das sperrige Zeichenbrett, nicht mehr gebraucht, das eine Kunststudentin abholt und mir bei der Gelegenheit ein bisschen erzählt, wie es gerade an der Kunstakademie zugeht. Oder der Stapel Gesellschaftsspiele, die der Nachbar auf den Sperrmüll geworfen hatte, obwohl sie noch vollständig waren und wie neu aussahen (ich gebe zu, da dachte ich, es ist doch schade drum, obwohl’s garnicht meine waren). In drei Portionen aufgeteilt, ziehen zwei verschiedene Personen und eine Familie damit ab. Oder das ganze überschüssige Handarbeitsmaterial – drei Ladies aus der Ukraine sind begeisterte Abnehmer…oder oder oder…

Doch, ich muß sagen, was gleich mehrere Menschen glücklich macht, ist durchaus die kaum nennenswerte Mühe wert, die Dinge auf die Plattform zu setzen. Zumal man dabei echte Menschen kennenlernt, mit Geschichten und Eigenarten. Bei den vielen Begegnungen ist außerdem (zumindest mein) Resumee: 99% aller Abholer sind pünktlich, freundlich und freuen sich über das Geschenk. Das eine fehlende Prozent meldet sich vorher, dass die Bahn Verspätung hat. Und all die Gläser Honig, Marmelade, Relish, Plätzchen, Schokolade, Einladungen zu Kulturveranstaltungen oder Ableger, die ich dadurch zusätzlich geschenkt bekommen habe, bestätigen, was ich sowieso schon dachte: es lohnt sich, auf diesem Weg noch Gutes zu verschenken…


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Die Schönheit der ausgedienten Filtertüte

Eigentlich hat meine Freundin und Künstlerkollegin Gertrud Buder eine Ausbildung als Weberin absolviert und Textildesign an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart studiert. Das Material für ihre Objektgestaltung hat sie aber erweitert – auch mit Gras, gebrauchten Filtertüten, Teebeuteln etc. etc. läßt sich Gewebe und Form gestalten…(hier im Bild ein Flügel aus gebrauchten Kaffeefiltertüten).

Nach ihrem Tod vor 2 Jahren habe ich jetzt einen größeren Teil aus ihrem künstlerischen Nachlass erhalten und habe als erstes eine neue homepage für sie erstellt, die ihre Textilkunst, Grasobjekte, Filtertütenkunst und Grafik wenigstens einmal vorstellt und noch erweitert wird…

Hier kann man mitstaunen: https://gertrud-buder.jimdosite.com


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Sammeln und verteilen – Die Kuehn-Foundation

Eine kleine, spitze Schere? Nein, 20! Dazu: zahlreiche Instrumentensets für verschiedene Operationen! Zwei gut erhaltene Roll-Hocker in Mintgrün? 30! Und OP Besteck vom Feinsten! Zwei Gelunterlagen für den OP-Tisch – keiner wird darauf mehr postoperativ über Rückenschmerzen klagen. Ein Monitor zur Überwachung der Vitalfunktionen? Nein, eine ganze Serie. Ein Röntgengerät? Auch mehrere… Und und und. In der aktuellen Tendenz, kleine Krankenhäuser dicht zu machen und dafür ein großes, zentrales zu bauen, bleibt vielerlei einfach übrig, was von ausgezeichneter Qualität, noch lange nicht schrottreif und noch für Jahre verwertbar ist. Thomas Kühn, Unfallchirurg und Orthopäde aus Biberach, berichtet von Rundgängen durch die verlassenen Flure eines dieser kleinen, aufgegebenen Häuser, um zu sammeln, was in anderen Teilen der Welt noch großartige Dienste tun kann. Surreal mute sie an, diese Tendenz, immer alles neu haben zu wollen, wenn man in ein anderes Haus umzieht. Was für eine Verschwendung. Und andererseits auch wieder eine gewisse Freude für ihn, der Sinn für global wirksames Recycling hat!

Nach zwei Jahren in einer kleinen Klinik im Norden Tanzanias zu Beginn seiner ärztlichen Tätigkeit in den 80er Jahren folgten viele Jahre der Spezialisierung, der engagierten Klinik- und Praxistätigkeit in Deutschland, der Mitgründung einer Klinik. Dann, 2017, nach Übergabe seines hiesigen Werks in jüngere Hände, führte Thomas Kühn der Weg wieder nach Tanzania. Und zeigte, dass es, wie vor vielen Jahren, immer noch an brauchbarem Arbeitsmaterial, Wissen und spezialisiertem Personal mangelt. Und dem Geld, all das zu finanzieren. Und auch das Packen und Verschicken von Containern mit wichtigen Dingen ist teuer, selbst wenn der Inhalt gespendet wurde. Der Entschluss, zunächst hauptsächlich aus eigenen Mitteln eine Stiftung zu gründen, hatte auch den Vorteil, Spendenbescheinigungen ausstellen zu können für diejenigen, denen eine bessere medizinische Versorgung in ärmeren Teilen der Welt ein Anliegen ist – ein wenig Ausgleich zu schaffen zwischen unserem mitteleuropäischen Fettauge und dem Mangel in der „dritten“ Welt.

Und heute? Ein paarmal im Jahr ist Thomas Kühn unterwegs in Afrika. Besucht alte und neue Bekannten und Kollegen, packt Container aus, die er zuvor mit Helfern in Deutschland bestückt hat, sortiert und optimiert die Dinge für den dortigen Gebrauch, unterstützt Kliniken und Kollegen mit dem Material in ihrer Arbeit vor Ort und bringt hier und da seine eigene Kompetenz in der täglichen Arbeit ein – ein rastloser Rentner, dem diese vielfältig-bunte Tätigkeit sichtlich Freude macht!

(Im Bild: Thomas Kühn und seine Frau Jutta, im Hintergrund zwei der Container, die die Reise, wertvoll bepackt, zum Ort der Bestimmung in Tanzania geschafft haben. Mehr Infos über die Stiftung finden sich hier:

http://www.kuehn-foundation.com


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Zanzibar Bugs

Den Blick auf dem Boden – Sand, staubige Seitensträßchen, entlang der Spuren von Dingen, die ein Baum abgeschüttelt, das Meer angeschwemmt hat oder die weggeworfen wurden; Zeitungs-, Verpackungsschnipsel, dies und das…(die Müllabfuhr gibt es, aber sie muß bezahlt werden. Wer kaum Geld für’s tägliche Leben hat, entsorgt in der Umgebung…)Hier: ein winziger Recyclingversuch!


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Reisen…Travelling…

Ein Reisepass ist auch eine Einladung zum Gedankenreisen, sich erinnern, exotische Visa anschauen…Ist das Teil dann noch abgelaufen, kann man sich auch farblich noch ein bisschen darin ausbreiten, weil der Passrücken bindungsmäßig so geschaffen ist, dass er sich zum Buchrücken entfaltet, wenn man etwas einklebt…Und plötzlich hat sich der Bundesadler in ein Huhn verwandelt!

Passports are not only documents, but also an invitation to travel by imagination, remember, looking at exotic visa… And: passports are made to unfold, if paper or other additions are glued inside – the back is transforming into a bookback! So what to do with the expired one that still holds a lot of memories?


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Recycling – Hidden Animals II

… und nochmal Recycling von allerlei Papier (und ein bisschen was zum Merken aus den Arabisch-Lektionen).

Recycling again (and taking notes from the arabic-lesson).


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Recycling: verborgene Tiere – hidden animals

Beim Aufräumen ein Stäpelchen verschiedener Papiere zusammengeklebt und ein Büchlein genäht, Farbklecker mit Augen versehen, hier und da ein bisschen dazu gezeichnet. Viel Spass, heraus zu finden, welches Wesen sich hinter den Farbspektren hervor locken lässt.

Cleaning up and sewing left over  paperpieces, blobs and color experiments into a booklike something. Much fun, discovering which animal is hiding behind the shades.


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Kenianisches Allerlei

Am Montagmorgen, wir stehen abmarschbereit vor der Haustür, biegt freudestrahlend der Installateur um die Ecke, unterm Arm eine neue Kloschüssel. Schon seit Monaten läuft in der Toilette im 1. Stock Wasser nach und treibt den Verbrauch in die Höhe. Wir versuchen zu ergründen, warum bei einem Spülkastenproblem die Schüssel ausgewechselt werden muss, aber der Mann lässt sich nicht beirren. Der Hausbesitzer habe dies vorgeschlagen. Na denn.

Bei der Arbeit wie stets ein buntes Vielerlei:

Ein Patient kommt mit Rückenschmerzen. Seit 20 Jahren trägt er täglich hundert Zementsäcke und erhält dafür am Tagesende 600 Schilling, also ca. 6 Euro. Vorsichtig versuchen wir ihm zu erklären, dass bei so hoher Belastung Rückenschmerzen keine Seltenheit sind. Ja, er könne ein bisschen ruhen, sagt er. Er fahre nachhause aufs Land. Dort bewirtschaftet seine Familie ein Stückchen Land mit Mais und Zuckerrohr. Das klingt nach mehr Ruhe und besserer Luft als in Nairobi, allerdings auch nach viel andererlei Arbeit.

Eine Patientin kommt aus einem unserer Referenzkrankenhäuser, nachdem ihr bei einem Unfall mit einem scharfen Blech die Achillessehne durchtrennt worden ist. Genäht wurde sie allerdings nicht, nur die Haut, und der Eiter tropft heraus. Warum man die Sehne nicht genäht hätte? Und warum man eine Woche lang nicht die Wunde verbunden, sondern den feuchten, schmuddeligen Verband belassen hat? Viele Fragen. Man hätte sie zum Röntgen geschickt, um zu sehen, ob die Sehne Schaden genommen hätte…(für die Nichtmediziner: ein Röntgenbild braucht man nicht, um die Sehne beurteilen zu können).

Nachdem die dritte Patientin sich mit einer seit Monaten nicht verbundenen, völlig ignorierten, schmutzigen, verkrusteten Wunde vorstellt, frage ich meine Übersetzerin, ob es da irgendeine afrikanische oder kenianische Tradition gibt, die es verbietet, Wunden zu verbinden. Sie meinen, erklärt Jane, dass eine verbundene Wunde schlechter heile. Ich brauche eine Weile, bis ich den wirklichen Sinn hinter dieser Aussage erkenne. Tatsächlich heilt eine Wunde schlechter, wenn man zwei Wochen lang den gleichen Verband darauf lässt.

Ein kleines, schmales Mädchen in gelbkarierter Schuluniform mit feschem weissem Kragen braucht einen Gips, es hat sich den Unterarm gebrochen. Wird die wackelige OP-Liege es aushalten, dass es am einen Ende sitzt und nicht in der Mitte, wo jetzt das Gipswasser platziert wird? Die Nurse ist guter Dinge und meint, das hält. Gerade wickeln wir die Baumwolllage um das dünne Ärmchen, als sich die Liege neigt: die Wasserschüssel ergiesst sich auf uns und die Patientin, das verdutzte Kind rutscht auf den Boden und alle sind nass. Zum Glück ist niemand anderweitig zu Schaden gekommen.

Ein Stäpelchen frisch gewaschene Unterhosen, die ein Kurzzeitarzt hier hat liegenlassen, finden sich jetzt fein gestapelt im Büro der Headnurse. Bereits ein Patient, der verschämt meinte, er könne die Jeans zur Untersuchung nicht ausziehen, seine Unterhose sei zu sehr zerrissen, hat sich über eine neue gefreut, ein weiterer trug ein Exemplar, das vom vielen Waschen so ausgeleiert war, dass er zweimal hinein gepasst hätte und bejahte das Angebot freudestrahlend.

Eine ältere Dame mit verstauchtem Knöchel verrät, dass sie in früheren Zeiten, wenn ihr Ehemann anfing zu schreien, immer zurück schrie. Seit sie die Taktik geändert habe und dann einfach sehr leise spreche, würde sie nicht mehr geschlagen. Das sei zum Glück lange her.

Ein grosser, hässlicher Brustabszess, den ich vor zwei Wochen eröffnet habe, ist wunderbar abgeheilt, nur noch eine kleine, einzentimetergrosse Wunde ist übrig. Die Patientin hat am Wochenende weder Gelegenheit noch Geld gehabt, sie verbinden zu lassen, am Montagmorgen klebt bei Vorstellung zum Verbandswechsel ein abgeschnittenes Läppchen von einem Fussverband darauf. Zum Glück hält das die Wunde nicht vom Heilen ab.

Am Abend sind wir gespannt, was wir im Bad vorfinden. Tatsächlich ist die neue Toilette installiert, aber es läuft nach wie vor Wasser nach und beim Spülen ergiesst sich ein Drittel des Kasteninhalts auf den Fussboden. An Tag Zwei ist die Toilette wieder verschwunden und ein Schild mit out of order hängt an der Tür. Am dritten Tag ist eine dritte Toilettenvariante montiert, die allerdings nicht funktioniert, es fehlt noch ein Ersatzteil, diesmal klebt das Schild auf dem Toilettendeckel. Am vierten Tag ist das Ersatzteil da, aber nach wie vor läuft Wasser nach und jetzt tropft es aus dem Anschluss zwischen Wand und Spülkasten. Ich erinnere mich gern an den Besuch der Aushilfsinstallateurin, die an Weihnachen innerhalb von 20 Minuten drei weitere Baustellen problemlos behoben hat. Ach, wenn doch die Ladies generell mehr Gelegenheit hätten, ihre Gaben glänzen zu lassen…

Danke an Sascha für das Foto!

Infos unter: http://www.german-doctors.de